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Israel will Chinesen loswerden

Arbeitskräfte aus der Volksrepublik reisen legal ein – gegen eine Vermittlungsgebühr von 5.000 Dollar. Schlepper und Unternehmen sorgen dafür, dass sie in der Illegalität landen. Nun sollen monatlich bis zu 3.000 ausgewiesen werden

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

„Ich verstehe wirklich nicht, warum mir in einigen Restaurants eine schlitzäugige Person mein Essen bringt“, erklärte Arbeitsminister Schlomo Benisri (Schas) im vergangenen Mai gegenüber der Tageszeitung Jediot Achronot. Benisri, der seit knapp einem Jahr im Amt ist, hat es schwer, denn die Arbeitslosenzahlen steigen seit Beginn der Intifada im September 2000 stetig an. Von der schwersten wirtschaftlichen Lage seit 1953 ist die Rede. Eine viertel Million Israelis ohne Anstellung. Wie schön wäre es, wenn man sie anstelle der ausländischen Arbeiter beschäftigen könnte, deren Zahl insgesamt ungefähr genauso hoch liegt. Tatsächlich ist es jedoch Minister Benisri selbst, der die Einreise von immer neuen ausländischen Arbeitern nach Israel genehmigt.

Für die Neuankömmlinge ist es allerdings mit der Vollständigkeit ihrer Papiere noch längst nicht getan, auch wenn ihnen schriftlich Arbeit versprochen wurde. Derzeit leben 23.000 Chinesen in Israel. Nur knapp die Hälfte hat eine feste Stellung. Chinesische und israelische „Menschenhändler“ bringen die Arbeiter ins Land, die pro Kopf 5.000 Dollar Vermittlungsgebühr einbringen. Wer in den „Genuss“ von versprochenen 4 bis 5 Dollar israelischen Stundenlohns kommen will, muss das Geld irgendwie auftreiben. In drastischen Fällen werden die Männer am Flughafen abgeholt, müssen ihren Pass abgeben und werden dann nach wenigen Kilometern Autofahrt abgesetzt, weil es keine Arbeit für sie gibt. Andere arbeiten ein oder zwei Monate, bekommen wenig oder überhaupt kein Geld und versuchen es dann auf eigene Faust als Tagelöhner, um wenigstens das geborgte Geld zurückzuverdienen.

In dem Moment, wo die Arbeiter die Firma verlassen, für die sie laut Visa ursprünglich vorgesehen waren, gelten sie als illegal. Die Unternehmen sind für die Aufenthaltsgenehmigungen zuständig und sammeln deshalb schon am Flughafen die Pässe der Neuankömmlinge ein, die ihnen fortan völlig ausgeliefert sind.

„In vielen Fällen wissen die Arbeiter überhaupt nicht, für welches Unternehmen sie arbeiten“, meint Hanna Sohar von der Tel Aviver Hilfsinitiative „Leitung für den Arbeiter“, die den Migranten Rechtsbeistand anbietet. Das Problem der Vermittlung ohne Anstellung betreffe vor allem die Chinesen, sagt sie, weil sie am meisten bezahlen. „Für die ‚Sklavenhändler‘ reicht es schon, sie ins Land zu bringen, um ihre Prämie zu kassieren.“

Dass gegen die Arbeitsvermittler kaum rechtliche Schritte unternommen werden, liege an der Verflechtung von Politikern in den Menschenhandel. Erst gestern berichtete die seriöse Tageszeitung Ha’aretz über die mögliche Verbindung zwischen dem Jerusalemer Bauunternehmer Mosche Sela und keinem Geringeren als Arbeitsminister Benisri. Sela war am Vortag unter dem Verdacht polizeilich verhört worden, Informationen und Genehmigungen aus dem Sozial- und Arbeitsministerium erhalten zu haben, die ihm den Import weiterer Arbeitskräfte ermöglichten. Ein Zeuge in der Affäre sagte unterdessen aus, dass Unternehmer und Arbeitsvermittler hohe Summen an die religiöse Organisation „Licht des Lebens“ spendeten, die von Benisris Patron Rabbi Ruven Elbas geleitet wird.

Unterdessen nahm das Minsterium für innere Sicherheit die Deportation illegaler Ausländer in Angriff. Entsprechend einer Regierungsentscheidung von letzter Woche sollen monatlich zwischen 1.000 und 3.000 Illegale des Landes verwiesen werden. Bei Razzien wurden schon über 100 Menschen in Abschiebehaft genommen.

Selbst wenn sie legal eingereist sind, ist es für die Leute, wenn sie erst einmal in Abschiebehaft sitzen, zu spät, um sich zur Wehr zu setzen. „Das Problem der Chinesen ist wirklich das Schlimmste“, sagt Hanna Sohar. „Sie kamen mit der Absicht, legal hier zu arbeiten, und haben sich aus reiner Naivität hinters Licht führen lassen.“

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