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Harte Linie

Ausblick aufs Jahr: Hamburg erhält ein neues Museum, und Dieter Wedel dreht weiter ab  ■ Von Peter Ahrens

Hamburg im Jahr 2002: Es wird ein langweiliges Jahr.

Januar: Die Ernennung eines Kultursenators verzögert sich leicht. „Ende Februar werden wir einen Kandidaten präsentieren“, versichert ein gut gelaunter Ole von Beust. Sonst passiert nichts.

Februar: Hamburg feiert den 100. Brechmitteleinsatz. Justizsenator Roger Kusch ist zufrieden: „Wir haben bis jetzt drei Frikadellen, sieben Matjesheringe und zwei goldene Löffel wieder ans Tageslicht geholt.“ Analog zum Sielmuseum plant die Tourismuszentrale, ein Brechmuseum mit den skurrils-ten Dingen, die die Rechtsmediziner aus den Mägen hervorgeholt haben, zu eröffnen. Wirtschaftssenator Uldall freut sich: „Ein Meilenstein für den Event-Tourismusstandort Hamburg.“

März: Dieter Wedel wird nun doch nicht Kultursenator. „Politik ist mir ein zu schmutziges Geschäft“, winkt er im letzten Moment ab: „Nur Intrigen – das weiß man ja aus dem Fernsehen.“

April: Der Senat erscheint in pinkfarbenen Uniformen – eine neue Idee des Innensenators. „Ich habe mich stets darüber geärgert, dass wir Politiker aussehen wie Polizisten“, begründet Schill. Er selbst erscheint zur folgenden Bürgerschaftssitzung jedoch nicht, weil er zur selben Zeit zum Kreisvorsitzenden seiner Partei des Ortsverbandes Bad Kleinen in Mecklenburg gewählt wird. „Die Ostausdehnung schreitet voran“, freut sich der Schill-Beauftragte Peter Paul Müller: In ganz Sachsen-Anhalt werden Filialen der Fast Food-Kette Erikas Eck eröffnet.

Mai: Der HSV steigt ab. 20.000 feiern auf dem Heiligengeistfeld. St. Pauli steigt natürlich auch ab. Der erste Polizist aus Bayern, ein gewisser Harry Klein, ist da und soll in Blankenese Streife laufen: „Endlich wird was gegen die Kriminalität getan“, freuen sich die Wilhelmsburger.

Juni: Der neue Polizeipräsident präsentiert Presse und Öffentlichkeit die neue Ausrüstung der Hilfssheriffs am Hauptbahnhof: das so genannte Nagelbrett. Potenzielle Dealer müssen so lange auf ihm liegen, bis sie schwören, nie mehr was Böses zu tun. Die Kriminalitätsrate in Hamburg sinkt erstmals seit 44 Jahren unter null.

Juli: Aufgrund der dramatischen Haushaltslage der Stadt wird die GAL eingespart. Finanzsenator Peiner: „Leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Immerhin kann damit das Defizit in der kommunalen Portokasse gemildert werden.

August: Die Semmelings, Teil 2, werden im Rathaus gedreht. Total irre überdrehte Story: Der Innensenator wird beim Koksen erwischt, und nur dank der Rammbock-Funktion der Hamburger Presse (Sudel-Chrissi) bleibt er im Amt: Das Abendblatt jubelt aus vaterstädtischem Interesse: Dieser Mann zieht seine harte Linie konsequent durch.

September: Übergangs-Kultursenator Rudolf Lange beschließt, dass jede Theateraufführung auf den Bühnen der Stadt mit dem Großen Zapfenstreich abgeschlossen wird. Die Handelskammer freut sich: „Ein echter Gewinn für den Konteradmiral-Standort Hamburg.“

Oktober: Bundestagswahl. Schill wird doch nicht Kanzler.

November: Die Steuerschätzung ergibt ein desaströses Bild der städtischen Finanzen. Erste Sparmaßnahme: Der eine bayrische Polizist muss nebenbei als Chauffeur für den Bürgermeister arbeiten und fährt dessen Wagen vor.

Weihnachten: Von Beust kündigt an: Spätestens im Januar soll der neue Kultursenator der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

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