berliner szenen: Viva Plus ist an
Die Zukunft von MTV
Mary J. Blige leidet unter einem prämenstruellen Syndrom. Bono geht gern in Museen, und Jan, der Mann für Berlin, ist 1976 in Celle geboren und findet Berlin ganz, ganz aufregend. Ein Haufen wichtiger Informationen, die man so zu verarbeiten hat als Zuschauer des neuen Musiksenders Viva Plus. Der ist seit Montagmittag auf Sendung und will beweisen, wie „interaktiv, informativ und international“ Musikfernsehen so sein kann; ja, der will Deutschland und der Welt zeigen, wie Musikfernsehen der Zukunft so aussieht.
Dumm bloß, dass man nach zwei kurzen Checks diese Zukunft gar nicht sieht. Oder, wenn es sie denn wirklich sein soll, nur Scheiße findet. Denn das interaktive Fernsehen, bei dem der Zuschauer sich per SMS, Mail und Ähnlichem am Programm beteiligt, hatten wir ja schon mit dem TED. Oder auf tm3, jetzt Neun live, ganz zu schweigen von H.O.T. und QVC. Und, schlimmer, vor lauter Infos und Interaktionen sieht man das Wichtigste gar nicht mehr: die Clips. Die muss man richtiggehend suchen zwischen der Leiste oben mit dem Viva-Plus-Logo und den gleich zwei strammen Infoleisten unten. Wenigstens die 10-Jährigen, diese Superhirne, dürften all das locker filtern und verarbeiten – ja, ja, die Moderne. Ansonsten ist Trauerarbeit angesagt, wegen Viva zwei. Wollte man zwar vermeiden, von wegen der Aufgeschlossenheit dem Neuen gegenüber, hilft aber nichts: Viva zwei war besser. Punkt. Nichts gegen einen Clip von Nickelback – aber wann wird man jemals wieder das Sonic-Youth-Video „100%“ sehen? Oder „Capitalism Stole My Virginity“ von International Noise Conspiracy. Schnief. Und Mary J. Blige? Die hat bestimmt auch mal Husten. Um das zu wissen, brauchen wir Viva Plus gar nicht. GERRIT BARTELS
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