piwik no script img

Ein paar notorische Hühner

Mitklatschen, dazwischen brüllen und singen: Christian Berg setzt beim Kindermusical „Petterson und Findus“ auf die Regeln des Mitmachtheaters. Die Eltern müssen leiden

Der arme Sven hat keine Chance. Wollte nur seinen Kindern was Gutes tun, ging mit ihnen ins Musical, kaufte sogar Karten in der allerersten Reihe, und jetzt das: Ein Typ in roten Hosenträgern und grünen Schuhen schleppt ihn erbarmungslos auf die Bühne, setzt ihn auf ein Fahrrad, beschimpft ihn und macht ihn schließlich auch noch zum Runninggag der Berliner Premiere von „Petterson und Findus“.

Das Kindermusical beruht auf zweien der immens erfolgreichen Bilderbücher von Sven Nordquist um den etwas wunderlichen alten Petterson und seinem sprechenden Kater Findus.

„Eine Geburtstagstorte für die Katze“ und „Aufruhr im Gemüsebeet“ wurden von Christian Berg für die Bühne umgeschrieben und inszeniert wie zuvor schon andere beliebte Stoffe für Kinder wie „Das Dschungelbuch“, „Pinocchio“, „Jim Knopf“ oder „Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch.

Seit einigen Jahren komponiert ihm dazu Konstantin Wecker die Songs, und so gehen Berg und sein Ensemble bestens ausgestattet mit werbewirksamen Namen auf Tournee durch die Republik. Findet Kindertheater sonst nahezu ausschließlich auf kleinen Bühnen mit minimalsten Mitteln statt, tingelt „Petterson und Findus“ nun schon seit Ende Oktober durch die Musicaltheater der Stella Entertainment AG.

Ein offensichtliches „Cats“-Zitat kann sich Berg nicht verkneifen, vom technischen Aufwand einer Stella-Produktion ist allerdings nicht viel zu sehen. Lichteffekte werden nur sparsam eingesetzt, Bühnentricks gibt es gar keine zu bestaunen, und das einigermaßen niedliche Bühnenbild wirkt auf der großen Bühne im Stella-Musical-Theater am Potsdamer Platz recht verloren.

Bei insgesamt nur fünf Schauspielern müssen zudem Nordquists notorische Hühner auf zwei Exemplare reduziert werden, während Erzähler Berg noch als misstrauischer Nachbar Gustavsson und Hahn agiert.

Stattdessen beruht die Inszenierung auf den altbekannten Mitmachprinzipien des Kindertheaters. Berg liest aus dem Originaltext vor und weist die möglichst exakt nach den Grafiken von Nordquist kostümierten Schauspieler an. Manche Szene wird unter Publikumsbeteiligung drei-, viermal angespielt und noch mal wiederholt. Die Zuschauer werden ständig zum Mitklatschen, Dazwischenbrüllen und Singen animiert oder gleich auf die Bühne gebeten. Den Kindern aber gefällt’s: Sie brüllen sich die Seele aus dem Hals, wollen Findus unbedingt beim Bewachen des Gemüsebeets helfen und singen bei den Songs von Wecker, die wirklich auch dazu taugen, fröhlich mit, bestehen sie auch aus selten sinnentleerten Zeilen wie „Die Sonne scheint, der Himmel lacht“ oder auch „Die Vögel singen Schubidu“.

So ernährt das Kindermusicalgeschäft offensichtlich seinen Mann. Jede Inszenierung samt Wecker-Songs wird zudem auf CD veröffentlicht. Und den Prinzipien der Corporate Identity verpflichtet, bewirbt Berg sein erstes, soeben erschienenes Kinderbuch „Tamino Pinguin“, indem er es mitten während der Vorstellung, ohne jeden dramaturgischen Zusammenhang an ein Kind aus dem Publikum verschenkt. Ein glückliches Ende gab es dann aber immerhin doch noch für den armen Sven. Nach all der Unbill, andauernd durch den Kakao gezogen zu werden, hatte Berg auch für ihn zum Trost am Ende ein Präsent.

THOMAS WINKLER

Noch bis zum 27. 1., Di., Do. und Fr. jeweils um 14 Uhr 30, Sa. und So. jeweils um 9 Uhr 30 im Stella-Musical-Theater am Potsdamer Platz, Marlene-Dietrich-Platz 1, Mitte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen