piwik no script img

Soll man ein Uniklinikum schließen?

Ja, meint SPD-Wissenschaftsexperte Christian Gaebler, denn nur durch strukturelle Einsparungen könne die Berliner Hochschullandschaft gesichert werden.

Aus Sicht der SPD gibt es keinen fachlichen Anlass, dem Klinikum Benjamin Franklin seinen Universitätsstatus zu nehmen. Die Einrichtung ist eine leistungsfähige, anerkannte Einrichtung für die Ausbildung von Medizinern und eine exzellente Forschungseinrichtung. Die Entwicklung der letzten Jahre verstärkt diese Einschätzung des Wissenschaftsrats und findet auch im gesteigerten Drittmittelaufkommen ihren Ausdruck.

Was also hat die neue Koalition aus SPD und PDS zu ihrer Entscheidung in der Koalitionsvereinbarung veranlasst? Diese Koalition ist entstanden, weil die aufgrund der dramatischen Haushaltslage notwendigen Entscheidungen in der alten großen Koalition nicht gefällt werden konnten. Berlin hat mehr Ausgaben, als es sich aus seinen Einnahmen leisten kann. Auch angestrebte Einnahmesteigerungen werden in absehbarer Zeit nicht zu einer deutlichen Verbesserung führen. Nur Ausgabenreduzierung kann Berlin die gestalterische Zukunft sichern.

Berlin will zu Recht eine Stadt des Wissens und der Forschung bleiben. Mit den Ausgaben für diesen Bereich pro Einwohner liegen wir bewusst an der Spitze aller Bundesländer. Nur Hamburg kommt in die Nähe dieser Ausgaben, allerdings bei einem fast doppelt so hohen Steueraufkommen pro Einwohner.

Die Haushaltsnotlage zwingt Berlin, die Nettoneuverschuldung bis 2009 abzubauen. Das ist nur möglich, wenn sämtliche Ausgaben Jahr für Jahr erneut um 400 Millionen Euro gesenkt werden. Diese Koalition setzt Prioritäten im Bildungsbereich. Die Koalition will entsprechend der Forderung des Wissenschaftsrats in Berlin mindestens 85.000 Studienplätze finanziell sichern, ohne den Anteil der finanzintensiven Natur- und Ingenieurwissenschaften abzusenken. Der Haushalt für Wissenschaft und Forschung soll nominal nicht sinken. Dennoch bewirken Kostensteigerungen, unter anderem durch Löhne und Gehälter, dass bereits 2002 rund 40 Millionen Euro in diesem Haushalt fehlen, um die bisherigen Leistungen zu sichern. Dieses Defizit wird bis 2006 auf etwa 100 Millionen Euro steigen.

Aus dem Gesamthaushalt wird hier realistisch keine Hilfe zu erwarten sein. Bei pauschaler Kürzung über alle wissenschaftlichen Einrichtungen und Hochschulen hinweg ist die Qualität von Lehre und Forschung so gefährdet, dass Berlin seinen Spitzenplatz sicher verlieren würde. Deshalb müssen endlich strukturelle, langfristig wirksame Entscheidungen getroffen werden. Die Summe von 100 Millionen Euro entspricht fast dem Zuschuss an alle Fachhochschulen mit etwa 22.000 Studienplätzen. Bei der außeruniversitären Forschung würde eine Kürzung dieser Größenordnung rund 400 Millionen Mittel der Kofinanzierung von Bund und Ländern infrage stellen.

Die Hochschulmedizin mit ihren zwei Standorten ist von den Einsparungen der letzten Jahre nicht verschont geblieben. Dennoch wurde die Vorgabe, mit der gesetzlichen Absenkung der Studienanfängerzahlen von 1.100 auf 600 auch die Kosten entsprechend zu reduzieren, leider nicht umgesetzt. Dies ist sicher auch aus der Struktur und den Widerständen in den betroffenen Bereichen erklärbar. So brachten die Bemühungen der gemeinsamen Kommission beider Universitäten, in Kooperation zu Kostenreduzierungen zu kommen, nur minimale Ergebnisse. Der Zuschuss an die beiden Medizin-Fachbereiche macht in 2002 ein Viertel des gesamten Zuschusses an die Hochschulen aus.

Der Wissenschaftsrat hat bereits 1997 wie auch 2001 grundsätzlich den Erhalt beider Klinika gefordert, aber auch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Finanzierbarkeit zum Ausdruck gebracht. Wenn diese Finanzierung nicht gesichert werden kann, bedeutet dies für den Wissenschaftsrat „faktisch die Aufgabe des universitären Status eines Standortes“ – laut Gutachten 1997 des FU-Standorts.

Bei Schließung einer medizinischen Fakultät (der Humboldt- Universität bzw. der Freien Universität) ist die jeweils andere in der Lage, die seit Jahren feststehende Zahl von Studienanfängern pro Jahr auszubilden. Die Spitzenforschung kann durch Verlagerung an die naturwissenschaftlichen Fachbereiche der Universitäten, die medizinische Fakultät der jeweils anderen Universität und die außeruniversitären Forschungsstätten in Berlin gehalten werden. Die Krankenversorgung wird nicht gefährdet, da das Klinikum weiterhin als Krankenhaus bestehen bleibt. Die Konzentration der Forschung an einen Ort allerdings würde am Standort Steglitz große Investitionen erfordern, um die notwendigen Forschungsflächen bereitzuhalten. Da die Entscheidung aus Mangel an Finanzen notwendig wurde, fiel sie zu Lasten der Freien Universität.

Die in den Hochschulverträgen genannten Zuschüsse bleiben für die Laufzeit bis 2005 weitgehend unverändert. Anschließend kann der frei gewordene Betrag dazu dienen, die Finanzierung der Hochschulen und der Forschung in Berlin so zu stabilisieren, dass Berlin seine Spitzenstellung und eine qualitativ hochwertige Ausbildung behält.

Der Umwandlungsprozess wird von einem Gesetz und einer vom Wissenschaftsrat zu benennenden Kommission begleitet. Dieses Gesetz muss natürlich die Anzahl der Studienanfänger in Berlin, die Fortführung der Spitzenforschung und die Krankenversorgung sichern.

Die Entscheidung ist den Koalitionspartnern nicht leicht gefallen. Sie sind sich der vielen emotionalen und auch rationalen Einwände bewusst. Auch viele Mitglieder und Abgeordnete der SPD trifft diese Entscheidung schmerzlich. Jedoch lässt die finanzielle Perspektive Berlins kaum Alternativen zu.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen