: Die ganz geheime Infiltration
Ganz egal ob Stoiber die Bundestagswahl gewinnt oder nicht: Die bayerische Übernahme der Hauptstadt ist nur noch eine Frage der Zeit. Denn ganz Berlin nuckelt schon am Weißbier und liebäugelt mit dem FC des Kaisers
Frank Steffel (CDU) muss tief in seinem Herzen Bayer sein: „Die schönste Stadt in Deutschland ist München.“ Dass er das sagte, während er gerade versuchte, Bürgermeister in Berlin zu werden, war natürlich nicht wirklich klug. Und trotzdem: Nur früher als all die anderen hat Steffel den Trend der Zeit erkannt, der jetzt schon unumkehrbar scheint: Mit Edmund Stoiber (CSU) als Kanzlerkandidaten wird Berlin übernommen, nach langen Jahren wollen die Bayern endlich wieder über Preußen triumphieren.
Berlin übernehmen? Die Hauptstadt von Bayern unterwandert? Im Leben nicht! Da lacht der Alt-Berliner, so viele haben’s schon versucht und nicht geschafft. Die Bayern kriegen ihren Kiez und jut is. Doch die sind schlauer als der Rest, der Coup von langer Hand geplant: In Sicherheit wiegen heißt das erste Ziel und wird erreicht: Hochoffiziell berichtet das Statistische Jahrbuch Berlin 2001 zwar von 6.018 Bayern, die nach Berlin gezogen sind, aber gleich 7.074 haben die Stadt auch gen Süden wieder verlassen. Macht doch minus 1.056 Bayern insgesamt!
Wer’s glaubt, wird selig, sagt man wohl in Bayern. Die Infiltration, die läuft doch viel geheimer! In Berliner Szenekneipen nuckelt man schon ganz hip am Weißbier, derweil die Produzenten so tun, als wüssten sie von nichts: „Jo mei, des woaß i do net, wievui Bier mer nach Berlin verkaufn“, tönt es unisono aus den Münchner Konzernzentralen von Augustiner, Schneider Weiße oder Löwenbräu. Dabei läuft sicher mehr Bier nach Berlin, als den offiziell gemeldeten Bayern gut tut. Und wer’s mit dem Privatverbrauch der bayrischen Landtagsabgeordneten erklären will, dem sei gesagt: Das kann nicht sein, das sind zum Glück nur 93 in Berlin, wir haben ganz genau gezählt.
Sie wissen ja auch ganz genau, wie sie uns kriegen, die Bayern. Nicht nur mit Bier, nein auch mit ihren Schweinshaxn, Weißwürschtln und Hendln locken sie uns. Weit über den Gendarmenmarkt tönt jetzt schon einmal im Jahr ihr „O’zapft is“, egal ob man das hören will oder auch nicht. Was waren wir froh, dass München so weit und das Oktoberfest so fern war! Und jetzt: direkt vor unserer Tür. Nur eine Hoffnung bleibt: Die Berliner woll’n die Würschtl nur in Maßen, nur 200 Kilo kann die Fleischerei Maximilian bisher pro Jahr absetzen. Wenn das mal nicht Zugereiste waren!
Oder heimliche Bayernfans: Denn auch wenn es dem echten Hertha-Fan die Tränen in die Augen treiben wird, es gibt sie auch hier, die roten Jubler. Mehr als 120 in vier Clubs sind es schon und es werden mehr: Hatte Kaiser Franz beim Stadionstreit nicht schon gedroht, den FC Bayern München zum FC Bayern zu machen? Da ist der Weg nicht weit zum FC – FC Berlin? Ist der FC Hollywood erst mal hier, wird Stoiber als Verwaltungsratsvorsitzender schon dafür sorgen, dass der Stadionbesuch zum Pflichtprogramm wird.
Doch eines, das wird schwer: Denn sosehr die Bayern nach der Hauptstadt dürsten, das Herz der Stadt kann nur erobern, wer die Medien macht. Und im umkämpften Berliner Blätterwald hat’s die Süddeutsche Zeitung mehr als schwer. Nur 11.020 Menschen wollen sie täglich lesen, das ist nicht viel in Großberlin. Doch die Süddeutsche ist nicht der Bayern-Kurier, und deshalb gilt als kleiner Trost: Eine Auflagensteigerung hier wäre noch der wahrhaft erträglichste Teil der bayerischen Übernahme.
Noch singen sie ihr „Gott mit dir, du Land der Bayern“ nur im kleinen Kreis. Sollten die Exilbayern aber dazu übergehen wollen, die Bayernhymne bei offiziellen Staatsakten in Berlin zu spielen, dann, ja dann, „dann wern ’s bes, die Saupreißn“!
SUSANNE AMANN, MARIJA LATKOVIC
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