: Enrons Krise wird zu Bushs Krise
Die US-Regierung hat vom bevorstehenden Kollaps des Energieriesen gewusst. Demokraten prangern das intime Verhältnis der Republikaner mit Big Business an: Enron spendete an die Partei, wurde im Gegenzug von staatlicher Aufsicht freigestellt
aus New York NICOLA LIEBERT
Über Präsident George Bush, der sich derzeit noch der höchsten Zustimmungsraten erfreut, die je ein US-Präsident hatte, braut sich gerade ein riesiger Sturm zusammen. Jeder Tag bringt neue Enthüllungen über das, was die Regierung in Washington über den skandalträchtigen Zusammenbruch des Energiehandelsriesen Enron wusste. Das Justizministerium hat nun Ermittlungen wegen Betrugs eingeleitet, die Börsenaufsicht ermittelt schon seit Oktober, und ein halbes Dutzend Kongressausschüsse beschäftigt sich mit dem Fall.
Die Enron-Pleite Anfang Dezember, der größte Firmenkonkurs in der Geschichte der USA, hat nicht nur bislang 4.500 Leute ihren Job gekostet. Darüber hinaus sind die meisten Enron-Angestellten, die ihre Pensionsgelder in Aktien des eigenen Arbeitgebers angelegt hatten, ihrer Ersparnisse beraubt. Mehrere andere Energieunternehmen sind in Folge des Konkurses ebenfalls ins Trudeln geraten. Die Enron-Manager aber, die rechtzeitig Wind von dem bevorstehenden Zusammenbruch bekommen hatten, haben ihre Aktienoptionen früh genug eingelöst und Millionengewinne gemacht.
Die Regierung, zeigt sich nun, muss von all dem vorher gewusst haben. Enron-Chef Kenneth Lay hat kurz vor dem Konkurs zwei Kabinettsmitglieder, Finanzminister Paul O’Neill und Wirtschaftsminister Don Evans, der wiederum mit Bush eng befreundet ist, angerufen und sie über die Probleme informiert. Offenbar wollte er erreichen, dass der Staat als Retter des angeschlagenen Konzerns einspringt. Etwas später soll ein Enron-Vertreter noch versucht haben, das Finanzministerium als Vermittler einzuschalten, um von Banken eine rettende Finanzspritze zu bekommen.
Zugleich gab das Büro des Vizepräsidenten Dick Cheney zu, dass sich die von ihm geleitete Energie-Taskforce im vergangenen Jahr mindestens sechsmal mit Enron-Vertretern getroffen hat. „Das Weiße Haus wusste, das Enron wahrscheinlich zusammenbrechen würde, tat aber nichts, um unschuldige Mitarbeiter und Investoren, die die Ersparnisse für ihren Lebensabend verloren haben, zu schützen“, schimpft der Kongressabgeordnete Henry Waxman, führender Demokrat im Ausschuss für Regierungsreform.
Lay ist nicht nur seinerseits ein langjähriger Freund Bushs. Zufällig ist seine in Houston ansässige Firma auch der größte Spender für Bush gewesen, und zwar schon seit dessen Zeit als Gouverneur von Texas. Zwei Millionen Dollar haben Lay und andere leitende Enron-Mitarbeiter seit 1993 in die politische Karriere des ehemaligen Ölindustrie-Managers Bush investiert. Der kämpft nun darum, sich aus dem Strudel freizuschwimmen, und spielt seine Verbindungen mit Enron herunter. Am Freitag versuchte er die Gemüter zu beruhigen, indem er eine Untersuchung ankündigte, wie künftig die betrieblichen Pensionsfonds besser zu schützen seien. Von diesen Fonds hängt die Altersvorsorge vieler Amerikaner fast vollständig ab. Enron hatte, sobald die Finanzprobleme des Unternehmens bekannt wurden, den Fonds gesperrt, sodass die Angestellten ihre Enron-Aktien nicht verkaufen konnten und hilflos zusehen mussten, wie deren Wert sich praktisch in Luft auflöste.
Für die Demokraten ist der Enron-Fall ein gefundenes Fressen. Joseph Lieberman, ehemaliger demokratischer Kandidat für die Vizepräsidentschaft und vielleicht der nächste Präsidentschaftskandidat, will als Vorsitzender des Senatsausschusses für Regierungsangelegenheiten unter anderem untersuchen, inwieweit Enron die gesamte Energiepolitik der Regierung Bush beeinflusst hat. Mindestens 250 Kongressabgeordnete sollen Spenden von Enron erhalten haben. Der Bundesstaatsanwalt John Ashcroft muss sich seinerseits wegen Parteilichkeit aus den Ermittlungen heraushalten. Er hat fast 60.000 Dollar Wahlkampfspenden von Enron erhalten. Senator Byron Dorgan, dessen Wirtschaftsausschuss den Fall ebenfalls untersucht, bestätigt: „Enron war politisch höchst aktiv hier im Kapitol, um Gesetze zu verhindern, die zu einer Überwachung durch die Rohstoffhandelsbehörde und der Börsenaufsicht geführt hätten.“
In der Tat verabschiedete der Kongress Ende 2000 von den meisten unbemerkt einen kleinen Anhang zum Haushaltsgesetz, durch den Enron und andere Energiehandelsfirmen von staatlicher Aufsicht freigestellt wurden. Durchgedrückt hatte diese Lex Enron Phil Gramm, Senator aus Texas, dessen Frau Wendy Lee Gramm im Enron-Aufsichtsrat sitzt.
Der Verbraucherverband Public Citizen wies im Dezember darauf hin, dass unmittelbar nach der Verabschiedung des Gesetzes die Energiekrise in Kalifornien losging, die im Wesentlichen durch Angebotsknappheit ausgelöst wurde, eine Knappheit, so Public Citizen, die durch Enron bewusst gesteuert worden sei.
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