■ Afghanistan-Ausstellung: Fotos gegen Klischees
Die Schlagzeile „Wieder Blütenträume in Kabul“ macht den Filmemacher und Fotografen Wilhelm Rösing rasend. Dazu das Bild, auf dem eine afghanische Frau sich die Lippen anmalt – ihn packt die Wut. „Die meisten Deutschen wissen überhaupt nicht, wie es in Afghanistan aussieht! Die Bilder, die man hier zu sehen bekommt, sind wahrscheinlich im Werbestudio zusammengebastelt worden“, sagt er.
Der Afghanistankenner weiß, wovon er spricht – im Bremer „Forum Kirche“ hängen seit heute Fotografien, die er 1972 und 1978 in Afghanistan aufgenommen hat: Graue „sowjetische“ Wohnklötze, Bauern bei der Ernte, Nomaden mit schwer bepackten Kamelen in brauner, karger Steppe. Eindeutig Bilder aus der Vergangenheit, denn zerbombt ist hier noch nichts.
Als Begleitprogramm für Rösings Austellung hat das Evangelische Bildungswerk vier Vorträge geplant. Themen wie 'Alltag' auf dem Land oder traditionelle Machtstrukturen und Verwaltung sollen den Bremern das Leben in Afghanistan näherbringen. Dass Afghanen zur Zeit kaum „Alltag“ erleben, stört die Veranstalter nicht. Wilhelm Rösing meint: „Das Denken der Zivilbevölkerung ist gleich geblieben. Nur: Vor den Terroranschlägen hat sich keiner dafür interessiert.“
Wie deutsche Medien über Afghanistan berichten, bereitet ihm Kopfschmerzen. „Es geht nicht darum, wer mit wem eine Allianz eingeht und ob heute sechs oder sieben Kinder gestorben sind. Das sind nur Zahlen und Fakten, die Menschen werden vergessen.“ Uzi-schwenkende Gotteskrieger gelten bei den Deutschen nach wie vor als typische Afghanen. Wer seine Fotos im „Forum Kirche“ sieht, soll sich dieses Klischee aus dem Kopf schlagen.
Dass die Ausstellung ein Erfolg wird, steht für die Veranstalter schon fest. Eine Fortsetzung ist bereits geplant: Vom „Forum Kirche“ ziehen die Bilder weiter ins Gustav Heinemann-Bürgerhaus in Vegesack. Theresa Bäuerlein
Die Ausstellung wird Freitagabend im „Forum Kirche“, Hollerallee 75, um 19 Uhr eröffnet. Bis 21. Februar sind die Bilder montags bis freitags von 9 bis 16.30 Uhr zu sehen. Am Samstag leitet Lörenz Göser das Seminar zum Thema „Aktuelle Politik im Unterricht. Afghanistan , ein Land im Konflikt.“ Kostenbeitrag sind zehn, ermäßigt fünf Euro. Anmeldung unter der Tel. 346 15 30. Weitere Vorträge: am 24. Januar, 7. und 21. Februar um 20 Uhr.
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