: Und immer wiegen, wiegen
■ Nichts geht genau, schon gar nicht für immer. Das Bremer Landeseichamt prüft die Waagen und Gewichte, die Exaktheit der Angaben von Tankstellen und Supermärkten
Bei der Gemüsewaage, der Zapfsäule und dem Taxameter beginnen die Probleme. Jedenfalls was die Genauigkeit angeht. Völlig unbeachtet von den Äpfelkäufern, Sprit-tankern und Taxikunden dieser Welt sorgen Vertreter der Metrologie, dass diesen nicht zu viel Geld abgenommen wird. Dass die Waage hält, was sie verspricht. Nämlich ein Kilo und nicht nur 923 Gramm.
Für die Exaktheit der Waagen, Taxameter und Zapfsäulen in Bremen steht das Landeseichamt gerade. Jedes Jahr einmal müssen Taxen in die Kontrolle. Tanklastzüge alle zwei Jahre. Ebenso oft fallen die eichtechnischen Mitarbeiter mit ihren genormten Gewichten über die Waagen der Supermärkte für Käse, Wurst und Gemüse her. Außerdem prüfen sie die Gewichte von Cornflakespackungen, die Fülle der Becksflaschen und die Genauigkeit von Blutdruckmessern. Alles und jedes wird hier gemessen. Kein Gewicht wird als selbstverständlich hingenommen.
So jedenfalls steht es im Eichgesetz. „Zum Wohle des Verbrauchers“, sagt Amtsleiter Ewald Schmidt. Aber auch auch der Staat wünscht letztlich solche Genauigkeit. Schließlich erhebt er Steuern auf jeden Liter Benzin, jeden Liter Alkohol.
Die Eichmänner prüfen, „ob hier nicht irgendwo Manipulationen vorgenommen wurden“, sagt Klaus Helmboldt. Seine Messmethoden allerdings können ganz schön kompliziert sein, um Vermessungs-Pannen von vornerein auszuschließen. So pumpt er zum Beispiel gerade einen Tanklastwagen ab. 505,4 Liter Heizöl sind laut Tankuhr ausgeflossen. Im Prüfbehälter des Eichamts sind aber nur 503,3 Liter angekommen. Aha, mag der laienhafte Heizölkunde decken. Ganz schöne Abzockerei.
Ist es aber nicht. Jedenfalls nicht in diesem Fall. Aber das liegt an der Physik, die einigermaßen verzwickt ist. Weil sich Flüssigkeiten bei Wärme nämlich ausdehnen, hat die Eichverordnung festgelegt, dass Litermengen bei jeweils 15 Grad gemessen werden. Es sind aber nur 3,6 Grad draußen. Also muss erstens der Tanker alles auf 15-Grad-Verhältnisse umrechnen (was inzwischen automatisch geschieht). Und zweitens ist der Auffangbehälter aus Aluminium, das sich der Temperatur entsprechend ausdehnt. Zwei Zehntel Differenz sind hier noch mal einzukalkulieren. Ein komplizierte Berechnung. Am Ende ist Prüfer Helmboldt jedenfalls zufrieden, pumpt das Heizöl zurück in den Tankwagen und klebt den neuen Eichstempel auf die Tankuhr.
„Eichen heißt im Grunde doch nichts anderes als prüfen und stempeln“, sagt Amtsleiter Schmidt. Das klingt banal für so viel professionelle Exaktheit, deren Wahr-heitsanspruch sich an der „Nationalen Norm“ und an nichts anderem misst. Allerdings toleriert die auch ein paar ganz kleine Fehler: Bis zu drei Prozent Abweichung bei der Füllmenge in Müslipackungen. Oder 0,5 Prozent beim Sprit.
Große Vergehen gegen die Genauigkeit gab es hier nicht, gesteht Eichamtsleiter Schmidt. Ärger handelt er sich zwar immer mal wieder ein – bei den Schlachtern und Käseverkäufern, die Schälchen und Verpackungen gerne mitwiegen. So dass bei einem Kilopreis von 20 Mark für Gulasch die Pappverpackung gut ein paar Groschen kostet.
Härtefall im Amt für Maße und Gewichte aber war eine grüne Dose mit weißem Pulver, die auf dem Markt mit viel Erfolg als Fleckenkiller verkauft wurde. Allerdings wurden auch 800 Gramm verkauft, obwohl bei vier Prüfungen nur jeweils 650 Gramm Pulver drin waren. Die Sache landete vor Gericht, und der Hersteller wurde zu 10.000 Mark verdonnert.
Früher hätte ihn das gut und gerne sein Leben kosten können. Im Mittelalter, also lange vor den bundesdeutschen Eichgesetzen und und technischen Prüf-Raffinessen, wurden Bäcker, die zu leichte Brötchen backten, noch lebendig begraben. Dorothee Krumpipe
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