Dokumentarfilme mag er nicht

■ Heute bekommt Marcel Ophuls den Bremer Filmpreis 2002. Wie Columbo ist der Regisseur ein begnadeter Fragesteller

Wieder hat die Jury, haben die Filmkritiker Peter W. Jansen und Christiane Peitz sowie die Filmemacherin Helke Misselwitz gut gewählt: Nach Bruno Ganz, Agnes Varda und Tilda Swinton bekommt nun Marcel Ophuls den Bremer Filmpreis. Ein streitbarer Filmemacher, der sich oft mit seinen Streifen unbeliebt machte. Und dennoch bekam er für seine ganz eigene Radikalität und Orginalität 1988 für „Hotel Terminus“ eine Oscar.

„Eigentlich mag ich Dokumentarfilme nicht“, definierte Ophuls vor einigen Jahren sein Credo. „Ich bin aus Versehen in diese Branche geraten. Daher dachte ich von Anfang an: Wenn schon ernste Themen, wenn schon alte Nazis, wenn schon Archivaufnahmen von Gräueltaten, dann doch bitte auch ein wenig Leichtigkeit. Nicht nur, damit die Leute sich nicht langweilen. Sondern auch, damit man den Duft des 20. Jahrhunderts in die Nase bekommt, der zum Glück nicht nur aus grauen Wochenschauen besteht, sondern auch aus Capra, Lubitsch, Fred Astaire – und meinem Vater Max Ophüls“.

Als sein einziges Vorbild benennt Ophuls (vielleicht ein wenig kokett) den Fernsehkommissar Columbo. Man wisse eigentlich immer schon, was gewesen ist, und dann gehe der Columbo hin, und alle lügen ihm was vor. Genauso sind auch die Filme von Marcel Ophuls aufgebaut. Und darum sind sie bei allem Schrecken und Elend auch oft extrem komisch. „Hotel Terminus“ ist viereinhalb Stunden lang, aber nie langatmig. In diesem Film, sicher sein Opus Magnum, untersucht Ophuls „Leben und Zeit des Klaus Barbie“ und befragt Zeitzeugen zu den Untaten und der Flucht des Kriegsverbrechers und „Henkers von Lyon“. Dabei setzt er die Erinnerungen der Opfer direkt neben die nostalgisch verklärten Reminiszenzen von Barbies Schulkameraden. Ophuls ist nicht nur in seiner Montage alles andere als ein friedliebender Gutmensch. Und er ist (wie Columbo) ein begnadeter Fragensteller.

Am Donnerstag um 18 Uhr wird der von der Kunst- und Kultur-Stiftung der Sparkasse Bremen ausgelobte und mit 8000 Euro dotierte Filmpreis in der Oberen Rathaushalle übergeben. Am Donnerstag abend zeigt das Kino 46 in Anwesenheit des Preisträgers seinen Film „Novembertage“ von 1989 über den Zusammenbruch der DDR. Am kommenden Dienstag wird dort um 18.30 Uhr mit „Veillées d'armese“ auch sein aktuellster Film von 1994 gezeigt, in dem er Kriegskorrespondenten bei ihrer Arbeit in Sarajewo begleitet.

Wilfried Hippen