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New West Motel

Sich ausdehnende, an der Ästhetik eines frühen David Lynch oder Wim Wenders orientierende Klanglandschaften, die im Nirgendwo enden: Die junge Berliner Jazzband Yakou Tribe stellt im Quasimodo ihr erstes Album „Road Works“ vor

„Yakou“: japanisches Wort für nächtliche Reise oder nächtliches Schimmern

Der Himmel hängt am Ende der staubigen Straße. Dann bricht der Horizont weg in dem staubigen Licht, das sich ausbreitet wie ein Ölfilm. Neben dem Motel hängt ein Basketballkorb, und in der Mittagshitze flimmern die Telegrafendrähte, die das ganze Land zu überziehen scheinen. Amerika, der Mittlere Westen. Eine Einöde, die Bill Frisell und Ry Cooder als grenzenlose Verlassenheit beschreiben. Sich ausdehnende Klanglandschaften, die im Nirgendwo enden.

„Road Works“ heißt das erste Album der Berliner Band Yakou Tribe. Die Kompositionen von Gitarrist Kai Brückner und Saxofonist Jan von Klewitz formen sich an der Ästhetik früher Lynch- und Wenders-Filme. Erinnerungsbilder werden zu dem, was Brückner den „Bandsound“ nennt.

Ursprünglich nannten sie sich „Brückner-von Klewitz-Quartett“. 1998 war das, als sie mit Schlagzeuger Rainer Winch und Bassist Johannes Gunkel ihre Band gründeten. Jan von Klewitz kam damals aus Köln, die anderen studierten Jazz an der HdK. Im gleichen Jahr gewannen sie den Senatswettbewerb und konnten so ihre ersten Aufnahmen machen. Das war im November in einem Studio in Hannover.

Zwei dieser Aufnahmen sind jetzt auf dem Album zu hören, die anderen entstanden im Sommer 1999 und schließlich im Dezember 2000 in Berlin. Eine Zeitreise, die sich auch in den Kompositionen findet. So stammt etwa das Stück „Shaving in a Rental Car“ noch aus Studentenzeiten als Überbleibsel einer verfehlten Kompositionsübung. „Roach Motel“ ist eine Kompostion des 32-jährigen Brückner aus seiner Zeit in den USA, als in einem Motel die streichholzschachtelgroßen Kakerlakenfallen als „Roach Motel“ bezeichnet wurden: „They check in, but they don’t check out“.

Das Cover ist aus Fotos montiert, die in den USA und im Spreewald entstanden sind. Sie sind poetisch und weit. Wie der Name, den sie sich schließlich für ihre Band ausgesucht haben, Yakou Tribe. Dabei ist „Yakou“ das japanische Wort für eine nächtliche Reise oder ein nächtliches Schimmern. „ ‚Tribe‘ alleine hätte zu sehr nach Ethno geklungen, wir wollten möglichst jede Kategorisierung vermeiden. ‚Quartett‘ klang uns zu sehr nach Jazz, zu festgelegt.“

Brückner redet ins Telefon. In Etappen. Er sitzt im Zug zurück nach Berlin, und die Verbindung bricht. „Riverwide“ von Cheryl Crow findet er schön, inspirierend eben. Deshalb ist es auch auf der Platte. Sonst ist alles „selbst gemacht“. Keine Standards, das haben sie längst hinter sich gelassen. Kai Brückner hofft, dass er sich von seinen Gitarrenvorbildern Scofield und Metheney zunehmend ablöst und seinen „eigenen“ Klang produziert. „Ein leichter Klang“ soll es sein, erzeugt durch Akustik- und E-Gitarre und den blechernen Klang der Dobro.

Kai Brückner wuchs in Zehlendorf auf, wo er im „Haus der Jugend“ als 12-Jähriger Rockmusik spielte. Sie traten auch auf, beispielsweise beim „Fischtalfest“.

Daran hat Brückner gute Erinnerungen. Mittlerweile bietet er Workshops für die jetzigen Zwölfjährigen an, die ihre Gitarren ins Haus der Jugend tragen. Als er mit Mitte zwanzig in Amerika war, hätte er sich vorstellen können dort zu leben. Er ist fasziniert von New York. Dennoch ist Berlin seine Stadt. An ihr schätzt er, dass jeder sich selbst und seine Ideen und Vorstellungen einbringen möchte, dieses, wie er es nennt, „Aufeinanderpressen von vielen Stilistiken“.

Brückner selbst lebt in Charlottenburg mit seiner Freundin und der kleinen Tochter. Der Alltag wird hauptsächlich durch die Familie bestimmt. Früh aufstehen, später Gitarre spielen und hauptsächlich telefonieren: Auftritte organisieren, Tourneen zusammenstellen.

Weitere Projekte sind noch nicht geplant. Die Jazzformation Yakou Tribe lebt ganz gegenwärtig. MAXI SICKERT

Yakou Tribe spielen heute Abend ab 22 Uhr im Quasimodo, Kantstraße 12 a, Charlottenburg

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