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Niedrigstes Wachstum seit 1993

Letztes Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,6 Prozent. Statistisches Bundesamt: Entscheidend war nicht der 11. September, die Rezession begann schon früher. BSE dämpfte die Konsumlust, hohe Heizkosten drückten auf den Geldbeutel

von BEATE WILLMS

Jetzt ist es amtlich. Die Wirtschaft in Deutschland ist im vergangenen Jahr nur um 0,6 Prozent gewachsen. Das ist, wie das Statistische Bundesamt gestern bestätigte, abgesehen vom Krisenjahr 1993 das schlechteste Ergebnis seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Noch düsterer sieht es bei der separaten Betrachtung des Ostens aus. Dort sei „für 2001 sogar mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu rechnen“, sagte der Präsident des Bundesamtes, Johann Hahlen. Das wäre das erste Mal seit der Wende, dass das BIP, also die Summe aller produzierten Waren und Dienstleistungen, kleiner geworden ist. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte das voraussichtliche Minus letzte Woche mit 0,75 Prozent beziffert.

Angesichts der Tatsache, dass die Konjunkturprognostiker nach dem 3-Prozent-Wachstum für 2000 Anfang 2001 noch von einer Zunahme um 2,5 bis 3 Prozent ausgegangen waren, klang Hahlens Schlusssatz da beinahe verharmlosend: Insgesamt gesehen sei die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland im Jahr 2001 „enttäuschend verlaufen“.

Auch den Begriff Rezession, der nach wirtschaftswissenschaftlicher Konvention ein Schrumpfen der Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen bezeichnet, wollte der Statistiker nicht benutzen. Dabei hatte die wirtschaftliche Gesamtleistung bereits im 3. Vierteljahr 2001 um 0,1 Prozent abgenommen, und für das vierte wollte Hahlen nur „eine rote Null“ angeben. Externe Experten errechneten, dass das BIP damit im letzten Quartal zwischen 0,4 und 0,7 Prozent abgenommen haben müsste.

Trotz der zeitlichen Übereinstimmung mit den Anschlägen vom 11. September und dem folgenden Krieg gegen Afghanistan sah Statistik-Präsident Hahlen darin keinen ursächlichen Zusammenhang mit der „rezessiven Entwicklung“ in Deutschland. Diese habe bereits erheblich früher begonnen.

Maßgeblich verantwortlich für die schlechten Zahlen waren sinkende Investitionen: Aufgrund der schlechten Konjunkturaussichten und der Schwäche der US-Wirtschaft hielten sich die Unternehmen zurück. Allein die Ausrüstungsinvestitionen nahmen um 3,4 Prozent ab. Am Bau verstärkte sich der negative Trend der letzten Jahre mit einem Minus von 5,7 Prozent. Hier machten sich auch die schwachen Gemeindefinanzen bemerkbar: Die kommunalen Investitionen gingen stark zurück.

Zunahmen bei den Staatsausgaben (1,3 Prozent) und beim privaten Konsum (1,4 Prozent) konnten dieses Defizit nicht ausgleichen. Insbesondere bei Letzterem hatten sich die Konjunkturforscher wegen der mit dem Jahresbeginn 2001 in Kraft getretenen Steuerentlastungen mehr erhofft. Hier wirkten sich jedoch die Maul- und Klauenseuche sowie die Verunsicherung durch die Rinderkrankheit BSE aus. Denn nicht nur stiegen in Folge der Seuchen die Nahrungsmittelpreise; auch wurde die Konsumlust offenbar gedämpft. Ein Teil des Geldes floss in Ersparnisse, die Sparquote stieg von 9,8 auf 10,1 Prozent. Auch drückten die gestiegenen Energiepreise auf den Geldbeutel.

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