Kalk-Putz-Aktion
: Massage fürs Rathaus

■ Traditioneller Mörtel soll die Renaissance-Fassade vor Wasser retten

Wolfgang Rüdell hat einen ungewöhnlichen Werkzeugkoffer: Mit Spachteln kaum größer als Zahnstocher, Injektionsspritzen wie beim Doktor und Pinsel in allen Größen. Damit rückten der Chef-Restaurator und eine Handvoll Steinmetze ab nächs-ter Woche der südlichen Rathausfassade zu Leibe. Genauer gesagt: den Rissen im Stein. Durch die dringt nämlich Wasser ein – der Stein geht kaputt.

Rüdells Auftrag lautet: „Alle Wasserlöcher stopfen.“ Bis Ende des Jahres sei das zu schaffen, sagt er. Den Rissen will er mit Kalkmörtel beikommen. Dieses traditionelle Material ist wesentlich „atmungsaktiver“ als der heute üblicherweise verwendete Zementmörtel und dehnt sich auch nicht aus – im Falle der Rathausfassade ein entscheidender Vorteil, wie der leitende Architekt Konrad Fischer betont. Es entstünden keine neuen Risse und Kondenswasser könne gut entweichen.

Die mit der Renovierung beauftragte Firma ist für ihr Know-How mit dem kalkigen Mörtel bundesweit bekannt. Mit ihm werden die Steinmetze winzige „Böschungen“ modellieren, damit das Regenwasser abläuft, anstatt sich hinter dem Stein zu sammeln und entstandene Hohlräume zu füllen. Bei den meisten Ritzen heißt das: schmieren und spritzen. Feinste Spalten bekommen die normalerweise milchige Suppe sogar einmassiert. Dabei muss der Steinmetz die Mörtelmasse vorher passend einfärben. „Das sieht sonst unmöglich aus“, sagt Architekt Fischer.

Bei allen Arbeiten will er „den Alterswert des Gebäudes erhalten.“ Das heißt: Nicht jeder abgeblätterte Stein wird erneuert und auch die Maler bessern nur stellenweise aus. „Wir respektieren die Schrunzen und Fehlstellen – es sei denn, es kann Wasser eindringen“, sagt Fischer. Bremens Renaissance-Schmuckstück solle nach den Arbeiten „nicht picobello, sonder genauso wie zuvor aussehen“.

Zunächst müssen die Steinmetze aber alle Schäden detailliert auflisten – unter anderem für die Abrechnung. Denn für die einzelnen Arbeiten sind Festpreise vereinbart. 6,14 Euro kostet etwa die Reparatur eines Risses, sofern er nicht länger als zehn Zentimeter ist. Größere Spalten schlagen mit 12,78 Euro pro Meter zu Buche. Auf der Grundlage einer Ende 2000 durchgeführten „Musterrenovierung“ an einem Teil der Fassade hat das Bauamt die Gesamtkosten schon einmal präzise zusammengerechnet: 1.511.827,20 Euro.

hoi