: Völkerrecht ist nützlich
betr.: „Anarchie der Moral“, taz vom 15. 1. 02
Sibylle Tönnies täuscht sich. Das Völkerrecht hat keine Kriege verhindert. Wegen der Menschenrechte wurde kein Krieg geführt.
Für das zwischenstaatliche Zusammenleben ist das Völkerrecht trotz Widersprüchlichkeit auch ohne universale Exekutive nützlich. Die kleineren Staaten können es als Leitbild anerkennen, ohne Interessen aufzugeben. Großmächte, die nur ihre Interessen kennen, benutzen es nach Nützlichkeit. Den zwischenstaatlichen Frieden sichert global und regional nur das Gleichgewicht der Kräfte. Das hat Henry Kissinger in Diplomacy (deutsch: „Die Vernunft der Nationen“) mit historischen Beispielen belegt.
Der Krieg der USA in Afghanistan wurde nicht begonnen wegen verletzter Menschenrechte, sondern zur Terrorabwehr, wegen Vergeltung fordernder Emotionen und wegen geopolitischer Interessen.
Belgrad wurde bombardiert, weil der Westen keine andere Möglichkeit sah, den Warlord Milošević zu stoppen. Als Jugoslawien auseinander brach, spielten die Menschenrechte keine Rolle in der westeuropäischen Balkanpolitik. Dass sie dazu dienten, den Militäreinsatz zu rechtfertigen, schadet ihrem Ansehen nicht.
DIETRICH JAHN, Hannover
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