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Beleidigte Leberwurst reizt Establishment

Schon vor der Landtagswahl zog die Schill-Partei ins Parlament von Sachsen-Anhalt ein – dank Gudrun Schnirch

Unter dem Motto „Vom Neandertaler zum Steuerzahler“ feierte der CDU-Kreisverband Köthen vor Jahresfrist im Köthener Autohaus Take Fasching. „Höhepunkte waren zweifelsohne die Saalwetten“, vermerkt Aktiv, das Kreis-Mitgliedsblatt. „Der CDU-Landtagsabgeordneten Gudrun Schnirch gelang es dabei nicht, Herrn Sobetzko zu 30 Liegestützen zu bewegen.“

Eine Podiumsdikussion mit dem Dessauer Kreisoberpfarrer, eine Spende an den „Schwabe-Verein Dessau“, insgesamt 14 kleine Anfragen im Sachsen-Anhalter Landtag – Gudrun Schnirch ist nicht eben das, was man eine Person des öffentlichen Interesses nennt. Dennoch sorgt die CDU-Landtagsabgeordnete derzeit für Furore. Dank Frau Schnirch gelang nämlich der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ des Hamburger Richters Roland Schill der Einzug in ein zweites deutsches Landesparlament. Die 56-Jährige trat von der CDU zur Schill-Partei über.

Dem CDU-Fraktionsvize Detlef Gürth fällt es auf Anhieb schwer, das Spezialgebiet seiner ehemaligen Abgeordneten zu benennen. „Sie hat sich zur Bildung und selten über soziale Fragen geäußert.“ Im April stehen Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt an, und die CDU quittierte Schnirchs parlamentarische Blässe mit dem Rausschmiss – sie wurde weder als Direktkandidatin nominiert noch auf die Landesliste der CDU gesetzt. „Man hat mich fallen gelassen“, quengelt Schnirch in einem Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung. Die Schill-Partei biete ihr die Chance, „weiter etwas für Dessau und die Region zu tun“.

Eine Enttäuschte, die sich einfach eine neue Partei sucht? So will die Mutter dreier Kinder ihren Schritt natürlich nicht verstanden wissen. In der Schill-Partei gebe es viele neue Ansätze, „die die CDU nicht wagt vorzuschlagen“. Die studierte Verfahrenstechnikerin glaubt, dass beim Aufbau der Schill-Partei in Sachsen-Anhalt „viele verkrustete Strukturen aufgebrochen werden und andere Denkschemen auch bei den etablierten Parteien einsetzen“. Erst mit Schill biete sich für Sachsen-Anhalt wirklich die Chance, „Veränderungen herbeizuführen“. Sticheleien gegen ihre Expartei, die deren Spitzenkandidaten Wolfgang Böhmer nicht gefallen. Böhmer selbst hat im Hamburger Koalitionsvertrag zwischen CDU, Schill-Patei und FDP „lauter vernünftige Sachen“ gelesen, die er gern nachahmen würde.

Gestern sollte – nach Magdeburg und Dessau – in Halle der dritte Bezirksverband der Schill-Partei gegründet werden – dies machte Schill zur Voraussetzung, um bei der Landtagswahl anzutreten. Zudem scheint nicht unwahrscheinlich, dass weitere Abgeordnete Schnirchs Beispiel folgen. „Wer von seiner Partei kein Mandat mehr bekommen hat, sucht Auswege“, so die SPD-Landesgeschäftsführerin Susi Möbbeck. Die Schill-Partei würde Verlierer sammeln. Das aber ist im ärmsten Bundesland nicht ungefährlich – wie der überraschende Erfolg der rechtsextremen DVU vor vier Jahren zeigte.

Schills zweite Landtagspräsenz wird zunächst von kurzer Dauer sein. Per Fax teilte Schnirch der Landtagsverwaltung mit, dass sie aus Gründen „der politischen Hygiene“ zum Monatsende ihr Mandat niederlegt. Schill ficht das nicht an – er glaubt mit seinem Personal stärkste Kraft in Sachsen-Anhalt zu werden. Darauf sollte Frau Schnirch eine neue Saalwette abschließen. NICK REIMER

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