piwik no script img

Bildung gegen die Langeweile

GAL will Bildungsjahr für 5-Jährige. Kita-Vereinigung: Bildung beginnt früher  ■ Von Kaija Kutter

„Es geht hier nicht um grüne, es geht um gute Schulpolitik“, freut sich die GAL-Politikerin Christa Goetsch darüber, dass ihr Antrag für ein „Bildungsjahr Fünf Plus“ bei allen Parteien Zustimmung findet. Ungewöhnlich: Die Schill-Abgeordnete Katrin Freund hat ihn sogar für die morgige Bürgerschaftssitzung zur Debatte angemeldet.

Darum geht es: Weil die Pisa-Studie offen legt, dass in Deutschland die Kinder zu spät gefördert werden, fordert Goetsch ein flächendeckendes Bildungsangebot für Fünfjährige. Alternativ in Kindergarten oder Vorschule sollen die Kinder ein kostenloses verbindliches Lernangebot bekommen, dass Entwicklungsrückstände schon vor Schulbeginn ausgleicht. „Es geht nicht um eine Verschulung des Kindergartens, sondern um eine Unterstützung der kindlichen Neugier und der Lust am lernen“, sagt Goetsch. Parallel soll verstärkt für eine Einschulung mit fünf geworben werden. Goetsch: „Es gibt Kinder, die brauchen keine vorschulische Förderung mehr.“ Sie künstlich von der Schule fern zu halten, sei falsch: „Die Kinder langweilen sich rauf und runter.“

Der Vorstoß enthält selbstkritische Töne. Es sei ein Fehler gewesen, die so genannte „Doppelnutzung“ von Vorschule (VSK) und Kita zu verbieten, sagt Goetsch. Auf diese Weise werden in Hamburg Eltern seit 1998 gezwungen, zwischen eigener Berufstätigkeit und Vorschule für ihr Kind zu wählen. Nach Berechnungen des Elternvereins „FamilienPower“ hatte diese rot-grüne Sparmaßnahmne die Schließung von 40 der ursprünglich 306 Vorschulklassen zur Folge. Goetsch verlangt nun, die Anschlussbetreuung für VSK-Kinder wieder zu gewährleisten.

Begrüßt wird der GAL-Vorstoß von der pädagogischen Leiterin der Vereinigung städtischer Kindertagesstätten, Hedi Colberg-Schrader. Vorschulische Bildungsarbeit fände in den Kitas zwar bereits statt, „wir würden sie bei manchen Kindern aber gern mehr und intensiver machen“, sagt sie zur taz. Dies beträfe nicht nur Migrantenkrinder, auch deutsche Kinder aus bildungsfernen Schichten würden kaum erleben, dass ihnen zu Hause ein Buch vorgelesen wird. „So etwas ist fürs Sprachverständnis sehr wichtig.“

Die Vereinigung – mit 20.000 Plätzen größter Träger der Stadt – warnt aber davor, die Förderung auf Fünfjährige zu reduzieren: Gerade in der Sprachentwicklung lägen die „wichtigen Phasen“ schon viel früher. Colberg-Schrader: „Die Sprachförderung muss schon mit der Aufnahme in die Kita beginnen, ganz gleich, ob das Kind ein oder vier Jahre alt ist.“ Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die personelle Ausstattung die Förderung in kleinen Gruppen erlaubt, auch schon für jüngere Kinder.

„Ich hab nicht den Anspruch, dass ich schon alles erfunden hab“, sagt Christa Goetsch zu der Kritik. Details wie die Frage, wer die Bildungsarbeit mache, ob Lehrer oder Erzieher, sollen nun in einer „umfangreichen Anhörung“ im Schulausschuss erörtert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen