: Wichtig, aber viel zu schwer
„Trinkwassermonopol“ – Nie gehört? Kein Wunder: Das Thema ist No. 1 bei den „vernachlässigten Themen 2001“
Klar, dass in der Welt mehr passiert als das, was in eine Zeitung oder in eine Ausgabe der „Tagesschau“ passt. Was darin alles keinen Platz findet, ist ein Fall für „Netzwerk Recherche“ und „Initiative Nachrichtenaufklärung“.
Seit 1997 wählt das aus Journalisten, Wissenschaftlern und Studenten bestehende Gremium jährlich die Topten der unbeachteten Themen des Jahres.
Fazit der Medienbeobachtung: „Wichtige Themen finden in der Berichterstattung keinen oder nur unzureichenden Niederschlag.“ Letztes Jahr hatte die „Monopolisierung der Trinkwasserversorgung“ die fragwürdige Ehre des ersten Platzes. Zu wenig öffentlich diskutiert wurde auch über „Kein Asyl für verfolgte Kriegsdienstverweigerer“, „Staatsverschuldung: Deutschlands unbekannte Gläubiger“ oder „Innenminister Schily behindert Informationsfreiheitsgesetz“.
Doch nicht nur politische Zusammenhänge werden nach Meinung der Jury unter den Tisch gekehrt. Auch an Selbstreflexion der Medien mangelt es, wie die drittplazierte „CNN –Selbstzensur im Krieg gegen Terrorismus“ zeigt. Dazu kommen Themen aus den Bereichen Wirtschaft und Militär wie „Desinteresse an der Rüstungskontrolle“ oder „BRD bedeutender Exporteur von Biowaffen in die USA“.
Die hohe Komplexität der Themen ist für Initiative-Gründer Peter Ludes einer der Gründe für das Versagen der Medien: „Häufig ist die Recherche zu aufwändig, es fehlen die Fachleute im Journalismus“, sagt der Kultur- und Medienwissenschaftler. Auch vieles, was den nationalen Rahmen sprenge oder nicht eindeutig einem Ressort zuzuordnen sei, bleibe in klassischen Medien zu oft außen vor.
Der Trend geht zur Unterhaltung: Man wolle den Leser nicht langweilen und schon gar nicht überfordern, so Ludes. Und so konzentrierten sich die Medien immer mehr auf „soft news“, wie den Rummel um Prominente.
Zur Untermauerung dieser Beobachtungen veröffentlichen die „Medienwächter“ ihre Topten der vernachlässigten Themen 2001 ab kommendem Freitag unter www.nachrichtenaufklaerung.de.
Um solche Un-Themen weniger komplex und verständlicher zu machen, müsste man einfach öfter darüber berichten, meint Ludes. Dann wären auch der Rechercheaufwand und der Bedarf, bei den wenigen Beiträgen zu einem Thema immer wieder umfangreiche Basisinformationen mitliefern zu müssen, geringer. Dass viel Hintergründiges gar nicht in der Öffentlichkeit auftauche, liege also nicht an bewusster Zensur, sondern vielmehr an einer systematischen Verzerrung der Nachrichtenlage.
Für 2001 hatten die beiden Initiativen rund hundert verschiedene Vorschläge aus der Bevölkerung zur Auswahl.
Auch wenn die Beteiligung an den Topten 2001 bei weitem nicht an das amerikanische Vorbild „Project Censored“ (www.projectcensored.org) heranreicht – hier gehen rund 2.500 Vorschläge ein –, ist Ludes mit der Gesamtentwicklung seines Projekts sehr zufrieden. „Einiges aus den Mängellisten der vorherigen Jahre ist mittlerweile von den Medien aufgegriffen worden.“ JUDITH LUIG
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