GESUNDHEITSMINISTERIN SCHMIDT STREITET GEGEN DIE ÄRZTELOBBY
: Wahlkampf in der Praxis

Sieh an, auch die SPD hat das Feindbild Ärzte entdeckt. Vor einem Jahr löste die Sozialdemokratin Ulla Schmidt ihre grüne Vorgängerin Andrea Fischer ab, erklärtes Ziel war: die Ärzte besänftigen, die von Fischer vergrätzt worden waren. Nun schießen die Karrierejungs aus der SPD rechts an Ulla Schmidt vorbei und fordern alles, und zwar sofort: Zerschlagung der Ärztekartelle, Entmachtung der Kassenärztlichen Vereinigungen, Bezahlung der Ärzte nach Heilungserfolg. Die Krankenkassen sollen das Recht bekommen, mit den Ärzten ihrer Wahl Verträge abzuschließen. Dadurch würde die Verantwortung für die Versorgung von den Ärzten auf die Kassen übergehen. Schlagzeilen haufenweise, passend zum ersten Amtsjubiläum der Gesundheitsministerin, die dadurch erneut reichlich blass aussieht.

Oder sollte man sagen: passend zum Wahlkampf? Unwahrscheinlich ist, dass die Sozialdemokraten den Ärzteklubs den Kampf ansagen, weil sie Andrea Fischers Analyse von einst teilen. Wahrscheinlich dagegen, dass der Rheinland-Pfälzer Minister Florian Gerster und der Bundestags-Gesundheitsexperte Klaus Kirschner erkannt haben, dass sie ihr Projekt – die Liberalisierung des Gesundheitswesens – am besten vorantreiben, wenn sie einen Buhmann ins Rampenlicht zerren, der dem Wahlvolk schon bekannt vorkommt.

Nicht dass die Ärztelobby Artenschutz verdient hätte. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind undemokratische Herrenklüngel, die nicht immer glaubhaft machen können, dass es ihnen um das Patientenwohl geht. Wer sich, wie der Hartmannbund, als Unternehmerverein hinstellt, muss sich nicht wundern, wenn die Politik auf die Idee kommt, Ärzte wie Unternehmer zu behandeln. Ach du liebe Güte: Glaubt denn irgendwer, dass die Krankenkassen keine Machtkartelle bildeten? Dass sie sich für das Patientenwohl redlicher einsetzten als die niedergelassenen Ärzte? Entscheidend dabei ist doch vor allem, dass sich weder Ärzte noch Kassen mit ihren Eigeninteressen verselbstständigen. Wie die SPD das schaffen will, dazu hat sie bislang nichts erzählt. ULRIKE WINKELMANN