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Mehr Anti-Schill-Protest als Benefiz-Konzert

■ Das Straßen-Magazin „Hinz & Kunzt“ findet Unterstützung von Hamburger HipHop- und Gitarren-Szene

Dass Hamburg eine bunte Metropole ist, ließen die vergangenen Wochen nicht vermuten. Der Januar verwischt alle Farben, Nässe und Kälte tragen ihren Teil zur Unwirtlichkeit der Stadt bei. Vor allem, wenn man obdachlos ist und auf der Straße zu Hause. Doch mit seinem Konzert „Hamburg muss bunt bleiben“ möchte das Obdachlosenmagazin Hinz & Kunzt nicht auf die prekäre Lage ihrer Verkäufer aufmerksam machen, sondern auf das gewandelte politische Klima. Seit der Amtsübenahme des Rechtsblocks im Herbst wittern die Saubermacher ihre Chance, die Verdrängung und Vertreibung propagieren, die Armut und Elend im Stadtbild am liebsten verbieten würden. Oder wie Jochen Distelmeyer von Blumfeld, einer der auftretenden Bands, es in der Zeitschrift ausdrückt: „Wir machen das als erstes für Leute, die unsichtbar gemacht werden sollen.“ Inzwischen lautet der Arbeitsname der Veranstaltung „Anti-Schill-Konzert“.

Doch den Wandel von Toleranz über Ignoranz zu Verachtung allein am neuen Innensenator festzumachen, greift zu kurz. Denn die Strategie, bestimmte Szenen einfach von ihrem angestammten Ort zu vertreiben und dorthin abzuschieben, wo vorgeblich solidarisches Miteinander herrscht, ist viel älter. Das Schanzenviertel kann davon ein Lied singen, denn mit solchen Maßnahmen ist auch die Hoffnung verbunden, dass verhasste Objekte wie die Rote Flora oder Fixerstuben über kurz oder lang resignieren und die politisch Aktiven den Rückzug ins Private antreten. Dis-telmeyers klare Ansage dazu lautet: „Die Verunsicherung der Menschen wird durch staatsoffizielle mediale Meinungsmache umgelogen in eine Angst vor Milzbrand und Straßenkriminalität.“

Seit acht Jahren versucht Hinz & Kunzt gegen diese Taktik anzukämpfen und setzt dabei auf die Eigeninitiative der Obdachlosen. Im Lauf der Zeit wurde das von ihnen zum Verkauf angebotene Magazin zu Sprachrohr und Interessenvertretung der Obdachlosen. Doch dafür brauchen Redaktion und Verlag natürlich Geld, das nicht allein aus dem Straßenverkauf kommt. So entstand die Idee, Hamburger Musiker auf die Bühne zu holen und ein Benefizkonzert zu veranstalten, um einerseits die Kriegskasse aufzubessern und gleichzeitig ein klares Statement zur Situation in Hamburg abzugeben. Die Reaktion war unglaublich.

Denn obwohl im Moment für den guten Zweck aufgetreten wird, als hätten alle Musikmanager der Republik das als Imagepflege empfohlen, gelang es Hinz & Kunzt, ein exquisites Line-up auf die Bühne zu holen. Dass Blumfeld in einem solchen Kontext gut aufgehoben ist und Distelmeyer und seine Kollegen zu den Mitwirkenden gehören, konnte man fast schon als gesetzt voraussetzen. Dass Eins, Zwo sich da nicht lumpen lassen, auch. Schließlich sind diese beiden Gruppen schon einmal bei einem großartigen Konzert in der Fabrik angetreten – denkwürdig bleiben Dendemanns textliche Aussetzer, denen Distelmeyer Scheitern auf hohem Niveau attestierte.

Doch dass der Rapper gleich seine alten Schulkameraden mitbringt, war nicht zu erwarten. Nico Suave und Dabru Tack stammen wie Dendemann aus dem Sauerland und sind ebenso in der Sparte HipHop zu Hause. Einer Musikrichtung, die – zumindest in ihrer Hamburger Variante – nicht gerade durch übertriebenes Politikbewusstsein gekennzeichnet war. Das gilt auch für Fettes Brot. Vielleicht ist das aber auch ein Anzeichen dafür, dass sich da jemand seiner Verantwortung bewusst wird – auch wenn Dendemann gerne bekennt, dass er „politisch ein Lappen“ ist und sich eigentlich mehr engagieren müsste.

Als weitere Künstler stehen die kolossalen Gitarrenbands Tomte und Kante auf der Bühne sowie Jan Plewka, der ehemalige Sänger und Schreiber von Selig. Dazu kommen noch der Junge mit der Gitarre und DJ Koze, der zur Aftershowparty in den Golden Pudel Club lockt. So bunt war Hamburg im Januar schon lange nicht mehr.

Eberhard Spohd

heute, 20 Uhr, Große Freiheit

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