: „Das war eine verdammt enge Kiste“
Thomas Haas steht im Halbfinale der Australian Open und hofft dass Gegner Safin nicht seinen besten Tag erwischt
MELBOURNE taz ■ Wenn er noch einen Moment weiter geredet hätte, wäre er fast euphorisch geworden, aber was in ihm vorging, das spürte man auch so. Der Sieg gegen Marcelo Rios im Viertelfinale der Australian Open (7:6, 6:4, 6:7, 7:6) lag gerade eine halbe Stunde zurück, in seinen Augen stand zu lesen, dass er gewonnen hatte, und Thomas Haas sagte: „Das war eine verdammt enge Kiste heute. Und es hat Superspaß gemacht.“ Doch was das Schönste daran ist: Der Spaß ist noch nicht vorbei. Zum zweiten Mal in seiner Karriere steht Haas nun im Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers, der Gegner am Freitag wird der Russe Marat Safin sein, und so stark der bisher auch spielt – auf einmal tun sich ganz neue, reizvolle Aussichten auf.
Es war kühl an Mittwochabend in Melbourne; die Luft hatte sich noch nicht so recht aufgewärmt nach zwei regnerischen Tagen. Aber es war ein Spiel, bei dem einem warm werden konnte, von Satz zu Satz ein wenig mehr. Wie in der Partie in der Runde zuvor gegen Roger Federer hatte Haas etwas Glück, dass er den ersten Satz im Tiebreak gewann, aber mit dieser Führung als Sicherheit spielte er danach mit einer Souveränität, die Eindruck machte. Sehenswerte Schläge hatte er auch früher schon im Repertoire, gefehlt hatte ihm, mit Ausnahme der Spiele im Davis Cup, immer mal wieder eine gewisse Stabilität in den wichtigen Momenten.
Noch vor einem Jahr an gleicher Stelle hatte er in der zweiten Runde gegen Lleyton Hewitt Chancen vergeben, die zum Gewinn dreier Partien gereicht hätten, und der Vergleich zu diesem Spiel zeigt, dass sich da was verändert hat. Denn nun sieht es so aus, als könne ihn so schnell nichts aus dem Konzept bringen.
Fast immer, wenn es wirklich zählte, machte Haas den Punkt, und genau deshalb gewann er das Match. „In den entscheidenden Momenten hat er einfach besser gespielt“, meinte Rios, der auch zugab, in manchen Situationen habe ihm Haas zu schnell gespielt. Er war ein fairer Verlierer an diesem Abend.
Nach drei Stunden und 17 Minuten sah Haas mit großen Augen und noch größerer Erleichterung, wie der letzte Ball des Chilenen im Netz landete. Da waren seine Beine längst schwer, und der Geist war nicht mehr frisch. „Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, ich bin noch topfit“, meinte er danach und fügte mit einem ungewohnten Anflug von Ironie hinzu, da sei es doch gut, dass er den Physiotherapeuten habe. Nun denn, mit dem Preisgeld für das Halbfinale – umgerechnet rund 145.000 Euro – hat er die Kosten für das Jahresgehalt des Mannes mit den heilenden Händen jedenfalls schon raus.
Was die körperliche Verfassung betrifft, ist er sicher im Nachteil gegenüber Marat Safin, der am Nachmittag gegen Wayne Ferreira noch nicht mal einen Satz spielte, ehe der Südafrikaner mit einer Bauchmuskelzerrung aufgeben musste. Doch Haas meint, er habe ja vor dem Halbfinale am Freitag einen Tag Zeit zur Pflege und Regeneration, und er denke, dass er bis zum nächsten Auftritt wieder fit sein werde.
Wie jeder ist auch er beeindruckt von den bisherigen Spielen des Russen in Melbourne, und er hat mehr als nur eine Ahnung, was ihn nun erwarten wird. „Er ist groß, er ist stark – ich hoffe, dass er dann nicht seinen besten Tag erwischt.“ So darf er das sehen. Freitag, 15 Uhr Ortszeit in Melbourne (5 Uhr MEZ) werden sie sich in der Rod Laver Arena treffen: Marat Safin, der auf dem Weg zu alter Stärke ist, und Thomas Haas, der jetzt so verlässlich stark wie nie zuvor war. Da sollte man nach langer, langer Zeit doch mal wieder den Wecker stellen daheim; weil es vielleicht auch diesmal eine enge Kiste werden kann.
DORIS HENKEL
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