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Öko-Index-Liebling Tomra in der Krise

Obwohl bald auch in Dänemark Pfandautomaten für Dosen gebraucht werden, sackt der Aktienkurs des Branchenersten stetig. Schuld sind Fehlinvestitionen in den USA und das Nein der Deutschen zum Dosenpfand

OSLO taz ■ Dänemark hat klein beigegeben. Am Mittwoch ist das Verbot gefallen, Bier in Dosen zu verkaufen. Damit nimmt die Regierung in Kopenhagen eine Niederlage gegen die EU-Kommission vorweg, die nach jahrzehntelangem Alleingang droht. Damit braucht nun in absehbarer Zeit ein weiteres Land neue Pfandautomaten, die auch Dosen annehmen. Und so müsste beim Marktführer dieser Branche, der norwegischen Tomra, eitel Sonnenschein herrschen. Doch statt dessen sinkt der Aktienkurs.

Das Unternehmen, das in den meisten grünen Aktienfonds nicht nur vertreten ist, sondern dort wegen seiner stabilen Wachstumserwartungen eine herausragende Rolle einnimmt, ist ins Schleudern geraten. In der vergangenen Woche verlor die Aktie an der Börse von Oslo innerhalb eines Tages 27 Prozent ihres Werts. Die AnteilseignerInnen wurden dabei schlagartig um eine halbe Milliarde Euro ärmer. 3,8 Milliarden Euro hatte der Börsenwert der Pfandautomatenfabrik zu ihren besten Zeiten betragen. Jetzt sind es gerade noch 1,35 Milliarden.

1972 als Handwerksbetrieb gegründet, war Tomra mit seinem konkurrenzlosen Pfandautomatensystem Mitte der Neunzigerjahre in Fahrt gekommen. Die Maschinen können automatisch erkennen, ob die eingeworfene Büchse oder Flasche zum Pfandsystem gehört, und welchen Wert sie hat. Automatisch wird das entsprechende Pfand in Geld oder als Gutschein ausgeworfen.

Hatte Tomra 1995 einen Umsatz von rund 60 Millionen Euro, legte es seither jährlich im Schnitt 25 bis 30 Prozent zu – auf zuletzt knapp 380 Millionen Euro. Über 30.000 Tomra-Automaten stehen mittlerweile in europäischen Supermärkten, 8.000 sind es in den USA. Beim Börsenwert und der Gewinnmarge konnte sich Tomra in Norwegen zeitweise mit der Öl- und Fischindustrie messen. Um so tiefer erscheint der jetzige Fall, der auf offenbar übertriebenen Wachstumserwartungen beruht. Gleich zwei schwere Schläge musste Tomra zuletzt einstecken: Zum einen das vorläufige Nein zum deutschen Pfanddosensystem und zum anderen Fehlinvestitionen in den USA. Dort sollten Behörden und Öffentlichkeit von den Vorzügen des Pfandsystems überzeugt werden. Dazu hatte Tomra in Kalifornien eigenfinanzierte Rücknahmecenter aufgebaut. Die Verluste haben sich in zwei Jahren auf fast 100 Millionen Euro angehäuft. Für Deutschland hatte das Management den erhofften Verkaufsschub von 80.000 Automaten, die es für einen Fünfjahreszeitraum erwartete, gleich vorweggenommen und übereilt eine neue Fabrik hochgezogen. Diese hat die Produktionskapazität verdreifacht und steht jetzt unausgelastet da.

Da ist der neue dänische Markt, für den in zwei Jahren allenfalls einen Umsatz von 50 Millionen Euro erwartet wird, ein schwacher Ersatz. Für 2002 hat die Tomra-Führung weiter schlechte Zeiten angekündigt. Das laut eigener Einschätzung „überdimensionierte Deutschland-Engagement“ werde weiterhin Geld kosten. Es soll aber auch nicht eingemottet werden, weil das Unternehmen für den Pfanddosentag-X „bereit stehen“ will.

Die Börse traut dem Braten offenbar nicht. Einschätzung des Osloer Aktienanalytikers Øyvind Robbestad zufolge haben allzu übertriebene Gewinnvorhersagen das Vertrauen schwer erschüttert: „Die haben jetzt einen langen Weg zu gehen.“ Die Osloer Tageszeitung Aftenposten fragte sich gar, „ob die Erfolgsgeschichte von Tomra bereits zu Ende geschrieben ist“.

Dass die Staatsanwaltschaft soeben ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf unangemeldeten Insiderhandel gegen Tomra-Chef Erik Thorsen und drei andere Topmanager eingeleitet hat, bessert die Stimmung nicht. REINHARD WOLFF

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