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Handkunstwerk, nicht Kunsthandwerk

■ Die Ausstellung des thealit-Kulturlabors zeigt in der Städtischen Galerie den weiblichen Blick auf die Hand als wichtigstes Medium zur Kontaktaufnahme

In der auf Video aufgezeichneten Performance „Light/Dark“ von 1977 sitzen sich ein Mann und eine Frau gegenüber. Sie holt zu einer zaghaften Ohrfeige aus, die auf des Partners Wange landet. Er zieht nach, um sich gleich darauf wieder eine einzufangen. So geht es fort, die Wucht der Schläge steigert sich, ein lautes Klatschen schallt durch den Ausstellungsraum der Städtischen Galerie.

Was Performance-Künstlerinnen Marina Abramovic und ihr damaliger Kunst- und Lebenspartner Ulay hier demonstrieren ist kein „handfester“ Ehestreit, sondern ein Austesten der eigenen Schmerz- und Vertrauensgrenzen mit Hilfe der eigenen Hand als Schlaginstrument.

Die Hand als Ort des Kontaktes und Austauschs steht im Fokus der Ausstellung „Hand.Medium-Körper-Technik“, die das Frauenkulturlabor thealit ab heute in der Städtischen Galerie zeigt. Insgesamt zwölf Positionen vorrangig junger KünstlerInnen beschäftigen sich mit dem „Werkzeug des Geistes“.

Kuratorin Andrea Klier stellt in erster Linie Positionen vor, die das hierarchische Verhältnis des dominanten Seh-Sinns gegenüber taktilem Erfassen in Frage stellen sollen und dabei die Hand als eigentliches und wichtigstes Medium zur Kontaktaufnahme behaupten.

Handliche Grenzerfahrungen thematisiert auch die Bremer Fotografin Bernadette Lahmer. Ihre Arbeiten sind Nahaufnahmen von Händen und einzelnen Fingern im Kontakt mit speichelartigem Schleim oder Spinnweben. Die amorphen Substanzen haften an den Fingern, ziehen klebrige Fäden, was sowohl Ekel hervorruft als auch sexuelle Assoziationen auslöst. In den sehr plastisch wirkenden Fotografien verschwimmen die Grenzen zwischen einzelnen Fingern, zwischen Berührer und Berührtem.

Der Blick der Künstlerinnen geschieht oft mit humorvollem Augenzwinkern. Die Ungarin Agnes Eperjesi etwa vergrößert winzige Bildchen von Gebrauchsanweisungen auf Packungen von Plastikhandschuhen und Reinigungstüchern und druckt sie auf Porzellanfliesen. So entstehen plakative, an Pop-Art angelehnte Bilder zwanghafter Hygiene-Kultur, die biedere Putzmittel-Werbung persiflieren.

Wie frau sich von Schreibtischarbeit am besten ablenkt, zeigt Antonia Low per Videoinstallation: Von oben gefilmte Hände greifen abwechselnd zu Kosmetika und Süßigkeiten, dazwischen liegt ein Spiegel, das geschminkte Gesicht reflektierend. Die untentschlossenen Bewegungen der Hände werden als sinnlose Übersprungshandlungen entlarvt, denn, so die Künstlerin, „man macht alleine peinliche Sachen, die man gar nicht erzählen sollte.“ Roland Rödermund

Band.Medium-Körper-Technik“ bis zum 24. Februar in der Städtischen Galerie. Vernissage ist am Samstag um 19 Uhr in Anwesenheit der Künstlerinnen (Ausnahme: M. Abramovic).

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