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Hässliche Masken & schöne Gesichter

„Slipknot“ und „Incubus“: Die zweite Generation des Nu-Metal tobt sich auf dem Kiez aus  ■ Von Volker Peschel

Bei Konzerten der US-Band Slipknot warten eingefleischte Jünger besonders auf eine Szene: wenn Sänger Corey Taylor die Kiste auf die Bühne holt, in der er eine Krähe aufbewahrt. Die ist tot, seit langem, und gammelt vor sich hin. Vom Blick auf die Überreste und deren Geruch kotzt er schon mal in den Fotograben vor die ersten Reihen. Betritt hingegen Sänger Brandon Boyd von Incubus die Bühne, dürfte den ersten Reihen eher der Geifer im Mundwinkel denn der Ekel im Magen stehen. Bravo-tauglich ist die Optik des schicken Jünglings, der zumeist mit freiem Oberkörper und Conga am Bühnenrand steht. Ein kleiner, harmloser Beau für Abijahrgänge.

So unterschiedlich die Bands auch sein mögen: Mit Slipknot und Incubus kommen die zwei aktuellen Phänomene des Nu-Metal auf Hamburger Bühnen – ungeschickterweise am selben Tag. Hinter ihnen formiert sich eine Art zweite Generation nach den Vätern dieser Musikrichtung, Limp Bizkit und Korn. Den Kiddies dürstet es nach neuer Kost, solcher, die spannender ist als das, was in den letzten fünf Jahren zu hören war. Und so bieten sowohl der Krähen-Kotzer als auch der Trommel-Schönling die Flucht in zwei Richtungen. Incubus wenden sich dem Songwriting zu – und dies äußerst geschickt. Slipknot hingegen gewinnen dem Ekel-Schock-Rock ein Revival ab – und dies äußerst medienwirksam.

Wie anders ließe sich das Interesse der Feuilletons von der FAZ bis zur Literaturbeilage der Zeit an den neun Gesellen erklären, die, gelinde gesagt, scheußlichen Lärm produzieren? Sie inszenieren sich als Provokation: Beheimatet in Des Moines, Iowa, dem Zentrum des amerikanischen „bible belt“, dem Kernland der religiösen Rechten, stellen sie für eben dieses mittelständische Spießertum den GAU dar. Sie treten ausschließlich unter Clowns- oder Toten-Masken auf; in Overalls mit Ziegen auf dem Rücken. Sie haben sich, statt Namen zu tragen, von null bis acht durchnumeriert. Sie veranstalten an Gitarren und an jeder Menge Percussion-Zeug ein infernalisches Spektakel, das nicht unbedingt kreativ ist. Sie bewerfen sich auf der Bühne mit Kot. Und zum Dank werden sie von der Jugend Amerikas geliebt: Das aktuelle Album Iowa machte sie zur Nummer eins der Verkaufscharts. Als Krönung posierten sie in der Abendmahl-Szenerie Leonardo da Vincis.

Doch viel mehr steckt nicht hinter Slipknot. Denn musikalisch haben sie sich auf keinen Fall zu Superstars gespielt. Kreativ gesehen sind die Maskenkasper auf einem Stand, für den sich Sepultura bereits vor zehn Jahren geschämt hätten. Mit neun Leuten sind sie hoffnungslos überbesetzt, das Ergebnis ist einfach nur laut. Bleibt also netto ihr grenzenloser Budenzauber, der eigentlich nur dem alten Prinzip „schocken“ folgt. Was sie auf der Bühne veranstalten, dürfte jeden kalt lassen, der von der Existenz eines Alice Cooper, Ozzy Osborne oder Iggy Pop noch weiß. Doch auch eine neue Generation möchte wohl ihre Lust auf Show, auf rebellischen Lärm und ein wenig Ekel selbst einlösen. Wenn sich damit auch keine Sporthalle füllen lässt, und der Heidenspaß in die Docks verlegt wurde. Trotzdem viel Spaß.

Eher feinsinnig geht es im Vergleich bei Incubus zu, die sich gerne vor Sonnenuntergängen fotografieren lassen, aber in puncto Verkauf und Fangefolgschaft sehr wohl mithalten können. Drei Alben benötigten die Mitzwanziger, die nicht verwechselt werden sollten mit den gleichnamigen Metallern der 80er, um sich als umjubelte Songwriting-Hoffnung zu etablieren. Eine Eigenschaft, für die der Nu-Metal im allgemeinen nicht unbedingt steht. Es sind fünf Freunde aus San Fernando Valley, Kalifornien, die bereits als 15-Jährige Konzerte auf Schulparties gaben. Und die sich nun in einer Villa in Malibu eingemietet haben, um mit Morning View das derzeit wegweisendste Werk für ein ganzes Genre abzuliefern. Während ihre Alters- und Herkunfts-Kollegen aus dem Sonnenstaat wie Alien Ant Farm oder Papa Roach lustige Musik für Teeniefilme liefern, schreiben Incubus inzwischen höchst intelligent gestrickte Songs. Und geben dem Genre-Crossover damit wieder neues Leben. Das macht auch ohne Maskierungen Spaß. Beeindruckend war ihr Auftritt beim letzten Hurricane-Festival. Ausverkauft ist seit langem ihr Gig in Hamburg.

 Incubus (mit 311 und Hoobastank), 19.30 Uhr, Große Freiheit (ausverkauft!); Slipknot (mit Straight und American Headcharge): 19.30 Uhr, Docks

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