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Einritzungen statt tiefer Spuren

■ Der neue Senatsbaudirektor Uwe Bodemann kommt aus Hamburg und freut sich auf ein Entwicklungsgebiet, das doppelt so groß ist wie das an der Elbe

Uwe Bodemann (46) ist neuer Bremer Senatsbaudirektor. Im April tritt er seinen Job an – einen Job, den es bislang in Bremen noch nicht gibt. Über die Legislaturperioden der Politik hinaus soll er für die nächsten fünf Jahre maßgeblich an den Entscheidungen in Sachen Stadt- und Verkehrsplanung beteiligt sein. Als Leiter des Stadtplanungsamtes folgt er außerdem Detlef Kniemeyer, der in den Ruhestand geht. Zugleich ist er Chef der Abteilungen Stadtentwicklung, Städtebau und Wohnungswesen.

Bodemann hat in Hamburg das Riesenprojekt „Hafencity“ betreut. Als Mitarbeiter des dortigen Oberbaurates plante er an der „Hanse-Olympiade“ 2012 mit.

taz: Sie leben in Bremen, arbeiten in Hamburg. Was haben die beiden Städte gemeinsam?

Uwe Bodemann:Da muss man nicht lange nachdenken: Beide liegen am Wasser, beide haben dieses enorme Entwicklungspotenzial innerstädtischer Hafenflächen.

Was unterscheidet sie?

Bremen ist ungleich kleiner, Hamburg hat einen ganz anderen wirtschaftlichen Impuls. Insofern ist die Stadtplanerei dort einfacher. Beispiel „Hafencity“: Schon in den 90er Jahren wurde es politisch sehr gut vorbereitet. Das Grundstück liegt zudem ideal. Da muss man sich schon anstrengen, um es kaputt zu planen. Im Grunde konnten wir Planer da schulmäßig vorgehen – was natürlich sehr schön war.

Der Anstoß für „Hafencity“ kam also nicht vom Stadtentwicklungssenator?

Schon 1989 gab es ein Bauforum mit international renommierten Planern. Und dennoch gab es noch sehr beharrliche Momente im Hafen, die durch vertrauliche Gespräche vom damaligen Bürgermeister Voscherau geschliffen wurden.

Sie kennen die Bremer Situation: Viele großzügige Bestandsgarantien, auch die neuen Nutzungen – siehe Großmarkt – gehen in eine quasi-industrielle Richtung.

Bremen hat etwa ein Drittel der Einwohner von Hamburg, wir haben aber ein Entwicklungsgebiet, das doppelt so groß wie in Hamburg ist. Die Großmarktentscheidung kann man jetzt jahrelang beklagen. Dabei wird mit Straßenbau und Infrastrukturmaßnahmen erst die Voraussetzung geschaffen, dieses Gebiet für höherwertige Nutzungen attraktiv zu machen.

Eine sehr defensive Rolle: Die Entscheidung, welche Nutzung in den Hafen kommt, überlässt man dem Wirtschaftsressort, das Bauressort plant hinterher die Straßen. Reicht Ihnen diese bescheidene Aufgabe?

Als Senatsbaudirektor sollte man nicht die Vergangenheit kommentieren. Aber: Es gibt mehrere Strategien, mit solchen Flächen umzugehen. Stadtwirtschaftlich ist das Hamburger Modell interessant: Die Stadt veräußert Immobilien und ermöglicht dadurch andere Projekte. Andere Städte setzen große, öffentlich finanzierte Geschichten in diese Gebiete hinein, so wie in Bilbao mit dem Museum oder in Sydney mit der Oper. Sowas ist der Großmarkt natürlich nicht, aber wenn die Stadt Geld in die Hand nimmt und Straßen baut, hat das auch vertrauensbildende Wirkung.

Womit haben Sie sich beworben? Wofür stehen Sie?

Ich bringe natürlich die Hamburger Erfahrungen mit – und ich kenne Bremen. Und ich habe in Hamburg viele Leute kenngelernt, etwa aus der Immobilienbranche. Der Hafen ist ja nicht das einzige spannende Thema in Bremen.

Ihr Vorgänger im Stadtplanungsamt, Detlef Kniemeyer, galt als beharrlich und eigensinnig. Können Sie der „Stadtplanung von unten“, wie sie beispielsweise am Rembertikreisel mit einem Runden Tisch ausprobiert wird, etwas abgewinnen? Gibt es einen Stil, für den Sie stehen?

Es gibt nicht mehr diese Form von Stadtplanung, für die der Oberbaudirektor Schumacher in Hamburg gestanden hat. Der hat eine Linie durch die Stadt gezogen und danach gebaut. Eher hat man heute diese stark moderierende Funktion: Entscheidungen vorbereiten, bei denen jeder Federn lassen muss.

Sie werden doch Spuren hinterlassen wollen?

Natürlich. Aber es sind vielleicht eher Einritzungen als tiefe Spuren. Schumacher hat noch ganze Siedlungen geplant, den öffentlichen Hochbau selber gezeichnet. Oberbaudirektor Kossack hat die Hinwendung der Stadt zur Elbe betrieben. Und der jetzige Oberbaudirektor Walter kann mit Olympia vielleicht sogar über die Elbe springen. In Bremen stehen andere Themen an: Die Konturen der Überseestadt entwickeln, den Technologiepark anreichern, die Airport-Stadt weiter profilieren und den alten Güterbahnhof zur Stadt machen.

Stichwort Architektur. Haben Sie es lieber hanseatisch-streng oder Aufsehen erregend?

Das ist vielleicht ein Punkt, an dem ich mich von meinem Vorgänger unterscheide. Ich finde es richtig, an bedeutsamen Stellen der Stadt Akzente zu setzen. Dafür gibt in Bremen auch Beispiele, zum Beispiel auf dem Domshof, dieses Café ist ja ein Stück modernster Architektur.

Stichwort Bahnhofsvorplatz. Würde man einen solchen Platz in Hamburg ohne städtebaulichen Wettbewerb bebauen lassen?

Sofern Grundstücke in Hamburg aus der öffentlichen Hand verkauft werden, müssen die Interessenten die Verpflichtung eingehen, einen Wettbewerb zu veranstalten. Das ist die Linie, von der aber auch abgewichen wird. Zum Beispiel beim Volksparkstadion, das eine private Investiton sein sollte. Da hätten wir uns eher die Zunge abgebissen, als irgendwelche Wettbewerbe zu fordern.

Wenn jetzt aber folgende Konstellation auftritt: Die Stadt versucht seit zehn Jahren – glücklich oder nicht – ein Grundstück zu beplanen, und nun gibt es einen Nutzer und einen vernünftigen Preis. Wenn dann der Nutzer die städtebaulichen Richtlinien einhält und auch noch ein gutes Architekturkonzept mitbringt, muss man hart abwägen: Wenn das Zeitfenster kurz ist, wenn man Angst haben muss, den Interessenten mit einer Wettbewerbs-Forderung aus der Stadt zu jagen, dann kann ich auch sagen, o.k., ich mach's ohne Wettbewerb.

Der Posten des Senatsbaudirektors ist darauf angelegt, langfristige Projekte anzuschieben. Wenn Sie mal alle Rücksichten fahren lassen: Wie sieht die Lage in punkto Hafen und bei der Regionalentwicklung in 20 Jahren aus? Und welches wird Ihr Anteil gewesen sein?

Ich hoffe, es ist viel früher so, dass man sich nicht mehr darüber streiten muss, ob man die Städte aus dem Inneren entwickelt, also die Konversionspotentiale nutzt. Und zwar für die gewerbewirtschaftliche und die wohnungswirtschaftliche Entwicklung, anstatt die Ränder anzubauen. Also keine weitere Ausfransung. Ich hoffe auch, dass man wieder mehr über die ,Körnung' einer Stadt nachdenkt, die breite Streuung der Eigentumsverhältnisse. Es sollten nicht nur große Bauträger blockweise die Stadt erschließen, sondern man sollte wieder auf Parzelle zu bauen. Es ist also auch kleineren Eigentümergemeinschaften zu ermöglichen, Parzellen zu bebauen. Das wirkt sich stabilisierend auf die Struktur der Stadt aus. Die Parzelle erzeugt natürlich auf der anderen Seite auch ein lebendiges städtebauliches Bild. Eben nicht die gleichförmige Blockstruktur. Ich fände es gut, wenn man in zwanzig Jahren mit den Gemeinden gemeinsame Projekte macht und nicht weiter in Konkurrenz denkt. Das ist glaube ich, fast das größte Stück Arbeit.

Fragen: Elke Heyduck

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