Kinder und andere Monster

Panik in Monstropolis: Den horrorresistenten Kids von heute ist nur noch schwer Angst zu machen. „Monster AG“ vom Animationsstudio Pixcar lebt von formaler Perfektion und postmoderner Frotzelei

Die Farbpalette entgleitet gerne mal ins Hubba-Bubba-Hafte

von ANDREAS BUSCHE

Kinder und Monster – im Hollywoodfilm weisen sie meist frappierende Ähnlichkeiten auf. Penetrante kleine Blagen mit überdimensionalen Augen, die permanent Geräusche und Dreck produzieren und einfach nur unerträglich nerven.

Im Kino kann man sich da guten Gewissens an die Lehren des großen W. C. Fields halten. „Wer kleine Kinder und Tiere hasst, kann kein schlechter Mensch sein.“ In meiner Fantasie hatten die Kinderfilme aus dem Multiplex jedenfalls immer ein anderes Ende als vom Hersteller vorgesehen. Und wie inständig habe ich im letzten Drittel vom „Herr der Ringe“ gebetet, dass zumindest einem der Hobbits sein verdientes Schicksal ereilte. Allein schon wegen dieser Pelzfüße.

Das Animationsstudio Pixcar hat jetzt also einen neuen Film draußen, „Monster AG“, und es geht darin um Kinder und andere Monster. Allerdings sind sie auch diesmal wieder kaum auseinander zu halten. Pixcars „Toy Story “-Filme durchwehte ja streckenweise noch die Breitbeinigigkeit alter John-Ford-Western – oder von „Indiana Jones“ (inklusive kleiner Reminiszenzen an Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“).

„Das Große Krabbeln“ lieferte aber bereits erste Anzeichen für einen Rückfall in das frühkindliche Stadium einer ästhetischen Regression. Nicht erst seit dem massiven Erfolg von Disneys „Shrek“ entgleitet den Animateuren an den Hochleistungsrechnern die Farbpalette gerne mal ins Hubba-Bubba-Hafte oder geht der Trend im Monsterdesign – entsprechend den Vorgaben der letzten Prêt-à-porter, wie man mich kürzlich belehrte – wieder zurück zum Pelz (ebenfalls in Schweinchenrosa bis Babyblau). Mit „Monster AG“ hat diese Entwicklung ihren Höhepunkt erreicht: Die Bilderwelt ist hier grell wie das Kinderland von Ikea.

Dabei erzählt „Monster AG“ mit einer der Possierlichkeit entwachsenen Hysterie von Korruption und Paranoia, Fließbandfreundschaft und Niedertracht. Etwa wie Paul Schrader in seinem verkannten Meisterwerk „Blue Collar“, dem die „Monster AG“-Autoren Andrew Stanton und Daniel Gerson kurzerhand die Grundidee von „Matrix“ übergestülpt haben. Monstropolis ist die Halbwelt hinter den Wandschränken unserer Kleinen, eine fast autarke Kolonie der Freaks, Mutanten und asexuellen Triebwesen (insgesamt ein reichlich bizarres Personal), die allerdings in entscheidender ökonomischer Abhängigkeit zum Diesseits steht: Es ist die Angst der Menschenkinder, vielmehr ihr Angstschrei, die die Stromversorgung von Monstropolis sichert.

Jeden Morgen marschieren diese Aliens geschlossen zum Schichtdienst in die Werkhallen der „Monster Inc.“, von wo aus sie „9 to 5“ in fremde Kinderzimmer intervenieren, um die Energie der kindlichen Angst in einer Art Energiecontainer zu speichern.

Die Topagenten der Angstproduktion sind ein überdimensionierter Augapfel namens Mike Wazowski und „Sully“, ein bonbonfarbener Fellberg zwischen Fozzie- und Lenorbär, Letzterer eine in seiner wirtschaftswunderdeutschen Niedlichkeit bekanntlich nicht minder grauenhafte Kreatur.

Da die Kids durch Teletubbies und Gewaltvideos heutzutage aber weitestgehend horrorresistent sozialisiert sind, bahnt sich in Monstropolis bereits eine handfeste Energiekrise an. Ein weiteres Problem: Die leicht debilen Monster sind nicht nur ausgemachte Schisser, sondern halten die menschlichen Zöglinge auch für toxisch, sodass hoch technisierte Dekontaminations-Eingreiftruppen ausrücken, sobald einer der „Scream Collector“ mal aus Versehen mit einem gefährlichen Souvenir (wie einer Kindersocke) von seinem Auftrag zurückkehrt. Hollywood arbeitet sich ja gerade gerne wieder an solchen Angstbildern ab.

„Monster AG“ ist der inzwischen vierte Film aus den Animationsstudios von Pixcar, die 1995 mit „Toy Story“, mitten in der Siechphase des abendfüllenden Disney-Trickfilms, die Zukunft des Animationsfilms vorführten. Die Qualität dieses neuen Typus von „High Resolution“-Animationsfilmen liegt aber gar nicht mal in ihrer Detailgenauigkeit (bis hin zu der schattigen Textur der Felle); was vor allem begeistert, sind die wahnwitzigen Drehbücher und komplexen Charaktere. Seit Mitte der Neunziger hat sich die postmoderne Frotzelei als stilistische Form aus diesem Animations-Subgenre herausgebildet, und auch „Monster AG“ zieht seinen Witz in erster Linie aus dem Stilmittel der (Selbst-)Reflexion – ohne dabei das Zitat zur dramaturgischen Instanz zu erheben. Die formale Perfektion bisher aller Pixcar-Filme macht unsereins dann auch sehr anfällig für die banale Rhetorik des Filmkritikers. Ein unangenehmer Reflex, der angesichts der atemlosen Rasanz von „Monster Inc.“ aber gerade noch unterdrückt werden kann.

„Die Monster AG“, Regie: Docter/Silverman, Musik: Randy Newman. USA 2001, 92 Minuten