: Wir bauen eine Stadt
■ Praktiker, Philosophen und Verkünder: Alle Typen waren bei den Bremer Stadtentwicklungsgesprächen vertreten. Und sprachen über Image- und Identitätsbildung
„Stadtgestaltung – Eine öffentliche Aufgabe“ hieß die Abschlussveranstaltung der vierten Bremer Stadtentwicklungsgespräche unter dem Gesamtitel „Das Bild der Stadt – Image, Inszenierung, Identität“. Wer alle vier Gespräche dieser Staffel verfolgt hat, muss festhalten: das Gesamtthema war nur schwer in den Griff zu bekommen.
Was konkret ist Image und was Identität? Und wie lassen sie sich erzeugen, stützen oder lenken? Durch Stadtbildgestaltung? Oder durch die Inszenierung „großer Projekte“? Oder im Diskussionsprozess mit den Bürgern? Fragen über Fragen, auf die man kaum schlüssige Antworten erwarten konnte – allenfalls Anregung. Die Argumente und Thesen sind weich, das heißt subjektiv eingefärbt, interpretierbar und nur schwer überprüfbar. Immerhin kann, nachdem man mehr als ein Dutzend auswärtiger und einheimischer Experten über die Bühne gehen sah, eine Art Typologie dieser Spezies skizziert werden.
Da ist zunächst der Typus des Philosophen, der tiefschürfende Erkenntnisse über das Wesen des Menschen und der Stadt zum besten gibt und dabei häufig die Bodenhaftung, das heißt den Bezug zu den konkreten Probleme, verliert. Da ist außerdem der Typ des Praktikers, der ganz auf seinen Erfahrungsschatz setzt, die großen Konzepte hasst und es deshalb manchmal ein wenig an Orientiertheit fehlen lässt: Praxis allein ist keine Garantie für eine bessere Stadt. Und da ist schließlich der Typ des Künders, der das Forum vor allem nutzt, um eine Botschaft loszuwerden, gleichgültig, wie sehr diese zum Tagesthema passt.
Zur Abschlussveranstaltung waren als Experten von außen Carl Fingerhuth und Egbert Kossak geladen, zwei langjährig tätige Stadtbaudirektoren. Beide haben in ihren Städten Basel und Hamburg vor allem in den achtziger und neunziger Jahren gewirkt. So waren ihre Dia-illustrierten Statements vor allem Resümees dieser Tätigkeiten. Dabei gab sich Fingerhuth eindeutig als Philosoph. Das bestätigt auch sein 1996 erschienenes Buch „Die Gestalt der postmodernen Stadt“. Dagegen entsprach Kossak dem Typus des Praktikers: „Als gelernter Maurer müssen die Dinge für mich immer greifbar sein.“
Als Planungsevent zum Beispiel, wie die von ihm initiierten Hamburger Stadtplanungsworkshops, bei denen Stararchitekten, Studenten und Laien zusammenfanden. Bei allen temperamentsbedingten Unterschieden zwischen beiden verblüffte vor allem eine Übereinstimmung: ihre undifferenzierte Aversion gegen die Gewiss-heiten ihrer städtebaulichen Lehrergeneration. Was macht sie eigentlich so sicher, dass die gegenwärtigen Wandlungsprozesse der „post-modernen“ Stadt, die sie ja zum Teil mitbestimmt haben, so viel besser verlaufen werden? Ihren wohl berufsbedingten Optimismus wird nicht jeder teilen.
Von den lokalen Experten sprach zuerst Klaus Hübotter, der etwas andere Investor, bekannt durch seine preisgekrönten Wohnanlagen und sein Engagement für alte Gemäuer wie den Schlachthof, die Villa Ichon und jüngst den Speicher 11. Hübotter begann mit einem Selbstzitat aus seinen Buch „Du baust wie du bist“ und fand sich hier durch eine Anspielung Fingerhuths auf Martin Heidegger (den er ansonsten nicht mag) bestätigt: Auch der Philosoph aus dem Schwarzwald sprach vom wortgeschichtlichen Zusammenhang von Bauen und Sein.
Aber als Investor kann sich Hübotter seinen philosophischen Überbau nur sporadisch leisten, ansonsten muss er vor allem gut wirtschaften. In der vehementen Art der Verbreitung dieses Pragmatismus gehört Hübotter fast schon zum Typus des Künders.
Als reiner Künder trat dann Bremens BDA-Vorsitzender Ulrich Tilgner hervor: als Künder der Belange der freien Architekten und eines neu gegründeten „Architekturforums“. Welchen Typus der zukünftige Bremer Senatsbaudirektor Uwe Bodemann entspricht (vergleiche das gestrige taz-Interview) wird wohl erst die Zukunft – in den unterschiedlichen Belastungssituationen des Amtes zeigen.
Eberhard Syring
Im Herbst beginnt die fünfte Staffel der Bremer Stadtentwicklungsgespräche. Das Thema: „Bremen 2030“
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