piwik no script img

Kleinvieh macht auch Mist

Prinzip Microlending: Das Existenzgründerzentrum Enigma dechiffriert die Bank und interpretiert die Kreditvergabe neu  ■ Von Marcellus Gau

Junge Leute in weiten Hosen und Turnschuhen wuseln durch die Gänge, Schlüssel klirren, Telefone klingeln – Garage heißt das Projekt, und wie eine Garage sieht es auch aus: eine Halle, Computer, Cola-dosen, Betonromantik und zwischendrin Kundentermin. Seit Herbst hat die Garage ihr Kontrastprogramm: Eine Etage tiefer sitzen Männer in Anzügen in dezentem Marmorambiente. Hier hat die „Siebte Säule“ ihr Büro, die siebte Dienstleistung des Existenzgründerzentrums Enigma. Das Erscheinungsbild sei Absicht, sagt Projektleiter Dr. Thomas Panzer. „Die Leute sollen merken, ab jetzt wird's Ernst.“ Denn hier geht es um Microlending, um die Vergabe und Vermittlung von Kleinstkrediten.

Enigma stellt künftigen Geschäftsleuten Büro, Telefon und Computer zur Verfügung; auf ihrer Visitenkarte steht ihr Business und eine Adresse: Mexikoring 27-29. Nach sieben bis acht Monaten verlassen die Gründer den Hort, um sich draußen zu behaupten. So wie die Salsa-Expertin Esther Mercedes Jürgens. Am 1. Januar 2000 hatte sie ausgegründet. Ihre Idee: „Tanz-Workshops und karibische Events an schönen Locations“. Nun ist sie wieder da. Zwar mit finanziellen Problemen, aber keineswegs vor dem Aus. „Ich habe zu klein gedacht“, sagt sie.“ Die Siebte Säule verschafft ihr einen Kredit von rund 1500 Euro. Mehr ist im Moment nicht drin.

Vielen Existenzgründern geht es wie Jürgens. Die hohen Investitionen erschöpfen schnell die finanziellen Reserven. „Wer hier ausgründet, fängt meist satt im Minus an“, sagt Thomas Panzer. „Zur Zielgruppe der Siebten Säule gehören die, die bei den Banken abblitzen“, ergänzt Enigma-Leiter Hajo Streitberger. Also Kreditnehmer, die keine Sicherheiten haben, ihre Kreditwürdigkeit noch nicht unter Beweis stellen konnten oder die einfach nur kleinere Beträge leihen wollen. „50.000 Euro, ab da sprechen die Banken mit einem“, weiß Streitberger. Darunter seien die Prüfungs- und Beratungskosten zu gering, „als dass es der Bank einen Gewinn bringen könnte“.

Die Banker der Siebten Säule übernehmen Beratungsgespräche und Kreditprüfungskosten. Fallen die Ergebnisse der Prüfung positiv aus, sind die Banken bereit, Geld zu verleihen. Sollte ein Kreditnehmer mal nicht zurückzahlen können, tritt der Sicherungsfonds der Siebten Säule als Bürge ein. Das Ziel ist nicht nur, einen finanziellen Engpass zu überbrücken, sondern auch, dem Kreditnehmer zu ermöglichen, eine positive Kredithistorie aufzubauen.

Momentan hat der Sicherungsfonds selbst einen Engpass. Die Einlage besteht aus 10.000 Euro von der Patriotischen Gesellschaft, die der Siebten Säule für ihr Konzept den Büsch-Preis verlieh, und 100.000 Euro von der Deutschen Bank-Stiftung Alfred Herrhausen. Die jedoch müssen an Existenzgründer unter 30 Jahren vergeben werden. Für die Älteren „ist der Topf leer. 50 stehen auf der Warte-liste“, bedauert Panzer und hofft: „Wenn sich die Hansestadt an ihr Versprechen hält, dann kommt bald der nächste Schub.“ Denn vor den Bürgerschaftswahlen hatte die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales angekündigt, dem Fonds mit rund 500.000 Euro beizutreten.

Für Esther Mercedes Jürgens persönlich würde das nichts ändern. Den Kredit zurückzuzahlen sei, betont sie, eine Sache der Ehre.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen