: Raus aus der Nische
Der lange Weg zur Chancengleichheit: Ein neues Projekt soll Flüchtlingen das Tor zum deutschen Arbeitsmarkt öffnen ■ Von Annette Kohlmüller
Seit eineinhalb Jahren liefen die Vorbereitungen, nun ist es soweit. Vergangene Woche startete die „Qualifizierungsoffensive für AsylbewerberInnen und Flüchtlinge“ in Hamburg. Das von der EU mit 2,5 Millionen Euro geförderte Projekt soll innerhalb der nächsten drei Jahre die Beschäftigungschancen von Flüchtlinge erhöhen, der Gruppe, die bisher auf dem deutschen Arbeitsmarkt am stärksten benachteiligt ist.
Mehr als 30 Beratungsstellen, Betriebe und Behörden haben sich bisher unter der Federführung der Gesellschaft für Arbeit, Technik und Entwicklung (GATE) zusammengeschlossen. „Das Besondere ist, dass so unterschiedliche Einrichtungen wie Woge e.V., Sokoni, die Deutsche Post AG, autonome Werkstätten und das Arbeitsamt zusammenfinden müssen“, sagt Maren Gag von GATE, die das Projekt koordiniert. Ziel sei, langfristig Strukturen auf dem Arbeitsmarkt zu verändern „und nicht, einfach Jugendliche in einem kleinen Nischenprogramm zu fördern“.
Bis Mai läuft die Vorbereitungsphase, in der sich alle Beteiligten vernetzen. Danach sollen die geplanten Maßnahmen wie Sprachkurse, Coachings, Aus- und Weiterbildungen laufen. Besonders gefördert werden sollen Frauen und Jugendliche aus afrikanischen Ländern. Wichtig sei auch die gezielte Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen. Hier will sich die Gesellschaft zur Unterstützung von Gefolterten und Verfolgten gezielt mit Therapieangeboten engagieren. Eine Forschungsgruppe des Instituts für Interkulturelle Bildung der Universität Hamburg wird das gesamte Projekt begleiten und auswerten.
Da viele Flüchtlinge nach einiger Zeit – freiwillig oder gezwungenermaßen – in ihre Herkunftsländer zurückkehren, soll ihnen nicht nur der Weg auf den deutschen Arbeitsmarkt geebnet werden. „Wir wollen die Menschen möglichst so qualifizieren, dass sie in ihrer Heimat davon profitieren können“, sagt Gag. Doch dürfe man nicht nur bei der Ausbildung der Flüchtlingen ansetzen. Um diskriminierende Strukturen zu verändern, sollen Anti-Rassismus-Kurse für Lehrer und Verwaltungsangestellte angeboten werden.
Ohne behördliche Unterstützung läuft allerdings gar nichts: Damit die geplanten Maßnahmen nicht verpuffen, müsste, meint Gag, an der höchsten Hürde gerüttelt werden: den gesetzlichen Vorgaben. Uwe Thele, Sachbearbeiter für Ausländerfragen beim Arbeitsamt Hamburg, zeigt sich – zumindest in kleinen Schritten – kooperativ. Er will dafür sorgen, dass die Anträge von Flüchtlingen auf Arbeitserlaubnis schneller bearbeitet würden. Die vorgeschriebene Sperrfrist von einem Jahr müsse trotzdem eingehalten werden, auch wenn das Arbeitsministerium die Weisung gegeben hat, „für dieses Projekt gewisse Ausnahmen“ zu machen. So dürften zum Beispiel Flüchtlinge in Zukunft ohne Arbeitsgenehmigung für die Dauer von sechs Monaten ein Praktikum absolvieren. Doch weitreichendere Änderungen wird es in nächster Zeit kaum geben. „Wir warten, bis das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt“, sagt der Sachbearbeiter, „vorher können wir gar nichts entscheiden.“
Auch Maren Gag ist mit langfris-tigen Prognosen vorsichtig: „Falls nach der Bundestagswahl Stoiber an die Macht käme, dürfte auch unser Projekt nicht mehr viele Spielräume haben.“
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