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Wiedergutmachung auf Amerikanisch

Vorsichtig werden Schicksale aufgerollt: Im Kino Acud ist der Dokumentarfilm „Das Dorf der Freundschaft“ zu sehen

Ausgerechnet ein US-Amerikaner bekam am 26. Oktober 2000 die Friedensmedaille des vietnamesischen Volkes verliehen. Der Mann ist ein Exsoldat, der sich 1967 nach Vietnam gemeldet hatte, der als jüngster Sergeant der US-Militärgeschichte in dem Land kämpfte und, nachdem man ihn schwer verwundet nach Hause geschickt hatte, mit Auszeichnungen für das Töten des Feindes überhäuft wurde.

Aber George Mizo gab seine Auszeichnungen zurück. Wegen seiner Kriegsverweigerung saß er mehr als zwei Jahre im Gefängnis, wurde in den 80ern in der Friedensbewegung aktiv und widmet sein Leben seitdem der Versöhnung mit dem vietnamesischen Volk. Als Versuch einer Wiedergutmachung gründete Mizo 1998 das „Dorf der Freundschaft“. Der Dokumentarfilm von Markus Niehaves und Timo Mugele berichtet von diesem Friedensprojekt, das auf Initiative eines schockierten NAM-Veteranen zustande kam.

In dem Dorf bei Hanoi wohnen 70 geistig- und körperbehinderte Kinder und 30 vietnamesische Veteranen, Opfer des Chemiewaffeneinsatzes der Amerikaner. Vorsichtig werden Schicksale aufgerollt: Ein 17-jähriger Junge mit verkrüppelten Armen und Beinen (der schwere Geburtsfehler ist vermutlich auf die Intoxikation seines Vaters zurückzuführen) erzählt von seinem Wunschtraum, Architekt zu werden – ein aussichtsloser Traum, der Junge kann seine Finger kaum bewegen, schneidet mit Mühe die papiernen Dekorationsblumen, der einzige Beruf, den die ältesten Kinder im Dorf unter Anleitung lernen können. Ein geistig behindertes Mädchen, deren Mutter die kriegsgeschädigte Familie (ein behinderter Vater und Bruder) verlassen hat, besucht ihre restlichen Angehörigen. Ihr Großvater, das Familienoberhaupt, möchte am liebsten noch ein Kind im Dorf der Freundschaft unterbringen, aber dort ist kein Platz: Das Dorf ist auf Spenden angewiesen, die nur mager fließen und nur die laufenden Kosten decken.

Niehaves und Mugeles Film erzählt – teilweise filmisch etwas ungelenk – von dem schwierigen Versuch, Normalität im Unfassbaren zu finden. 1.000.000 Menschen leiden immer noch unter den Folgen des Vietnamkrieges, darunter 100.000 behinderte Kinder. Ohne mit Entsetzen zu spekulieren, stellen die Autoren Opfer vor, aber nicht bloß. Opfer, denen bis jetzt Anerkennung, Entschädigungszahlungen oder auch nur eine Entschuldigung seitens der Amerikaner versagt wurden. Dabei wird ein mutiger Kriegsheld, aber noch mutigerer Antikriegsheld porträtiert.

Der 54-jährige Mizo, der jetzt mit seiner deutschen Frau in der Nähe von Stuttgart lebt, redet am Anfang des Films schleppend von dem Erlebnis, das ihn mehr in seinem Glauben erschütterte, als es seine Vergangenheit als aktiver Krieger konnte. Während er einen Kampfeinsatz leitete, sagte ein 20-jähriger Soldat zu ihm: „Es heißt doch: Du sollst nicht töten. Punkt. Und nicht du sollst nicht töten. Außer im Krieg.“ Der nachdenkliche junge Soldat kommt wenig später um. JENNI ZYLKA

„Das Dorf der Freundschaft“ läuft vom 2. 2. bis 6. 2. jeweils 19 Uhr im Kino Acud, Veteranenstr. 21, Mitte

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