berliner szenen: Bild lügt nicht
Seitenspringer
Seit einigen Tagen wirbt die Bild-Zeitung für ihre neue Serie über Seitensprünge. Und zwar massiv und aggressiv. Überall sind Plakate zu sehen, mit roten Buchstaben auf nackter, weiblicher Haut. Sexismus pur. Ekelhaft. „Ab hier hilft mir mein Kollege“ steht z. B. über dem oberen Rand eines ebenfalls roten Damenslips. Die lüsterne Botschaft des vulgären Blattes sticht umso mehr heraus, wenn man gleich daneben dem Slogan der Bundesregierung begegnet, der auf anderen Plakaten für die „Familie Deutschland“ wirbt. Auch auf den ersten Seiten mehrerer Zeitschriften wird der Blick des Verbrauchers immer wieder mit dem Wort „Sex“ eingefangen. Komisch allerdings, dass ebendieses wichtige Wort in der sonst so nuancierten und präzisen deutschen Sprache ein männliches ist. Sex steht doch beiden Geschlechtern zu. Warum also nicht über „das“ Sex reden?
Das Klima, das ebenfalls uns alle betrifft, wird zum Beispiel richtigerweise neutral geschrieben. Sein Angriff hat schon begonnen. Heiß gemacht von den zahlreichen Sexrufen der Medienwelt, schickt es den trügerischen Frühling ohne Warnung ein paar Monate zu früh. Und alle müssen auf die Straße, obwohl ihre Häute noch so blass sind und ziemlich unattraktiv. Mann und Frau gehen also spazieren und sinnieren über die komische Laune der Natur. Und was sehen sie? Terrassen, die überfüllt sind mit SeitenspringerInnen, die nichts gegen ihre Frühlingstriebe tun konnten und Sonnenbrillen tragen, weil sie auf keinen Fall von den zahlreichen Familienmenschen samt Kindern oder von Kollegen erkannt werden möchten. Schrecklich. Bild lügt also nicht. Die Seitenspringer sind wirklich mitten unter uns. Als Kollegen, als Schwager und vielleicht sogar als V-Männer.
YVES ROSSET
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen