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Ein Hauch von Karneval in Rio

■ Die kolumbianische Theatergruppe HORA 25 kommt mit der „Frau der Rosen“

Kolumbianische Verhältnisse sind anders als bundesrepublikanische. So erklärt sich der völlig unironische humanistische Anspruch, den HORA 25 in ihrer Selbstdarstellung formulieren: „Unser Theater ist nicht leerer Schein, sondern Warnruf. Ä...Ü HORA 25 spielt die Werke verschiedener Autoren, die Krieg und Machtgier darstellen, aber auch Liebe und die Hoffnung, eines Tages bessere Menschen zu sein. Beeinflusst durch die gesellschaftlichen und politischen Umstände in Medellin in den 80ern und 90ern fand sich eine Gruppe professioneller junger Menschen aus den Bühnenkünsten (Tanz und Theater) zusammen, um der dringenden Notwendigkeit zu genügen, die Welt zu verstehen, sich ihr zu stellen und sie auf diese Weise zu verändern.“

Das Repertoire von HORA 25 umfasst mindestens 10 Stücke, darunter vor allem Werke spanischer und lateinamerikanischer Autoren wie Federico Garcia Lorca, Gabriel Garcia Marquez und Farley Velásquez, aber auch (frei bearbeitete) Stücke von Shakespeare - und sogar Heiner Müllers „Hamletmaschine“. In Kolumbien ist HORA 25 eine feste Größe und mittlerweile Stammgast zahlreicher überregionaler Theaterfestivals. Bevor die Gruppe im vergangenen Monat nach Bremen kam, war sie in Berlin auf dem „First International Festival of Verbal Art, Maulhelden/Verbal Heroes“ zu Gast. Hier in Bremen waren sie im „Scenario“ mit dem Stück „De dos amores“ zu sehen, einer (sehr) freien Bearbeitung von Garcia Lorcas „Bodas de Sangre“ („Bluthochzeit“).

Bei dieser Inszenierung war der selbstformulierte politisch-humanistische Anspruch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, denn aus der Tragödie wurde vollkommen überdrehter Slapstick. Die Herkunft einiger Ensemblemitglieder aus dem Tanzgenre war stets deutlich zu spüren: Hechtrollen, Stürze, Herumgeschlitter auf dem Boden und andere Stunts waren zu bewundern – und vor allem ein 250 Prozent überzeichnetes, extrem körperbetontes Spiel, das förmlich nach einer Auszeichnung durch die „Royal Academy for Overacting“ schrie. Sehr amüsante Studien über Hysterie, die auch ohne Spanischkenntnisse ohne weiteres zu verstehen waren. Professionell und punktgenau, aber dennoch mit viel Leidenschaft und Spaß an der Sache vorgetragen. Die aufwändigen, schillernden und sehr lateinamerikanischen Kostüme, die man in dieser Form wahrscheinlich noch auf keiner deutschen Bühne zu sehen bekommen hatte, waren ein zusätzlicher Exotik-Faktor, ein Hauch von Karneval in Rio. Von der Water-Pump-Gun über Beethoven bis zur Mini-Playback-Show - diese Inszenierung war Pop, und zwar im besten Sinne.

Vermutlich wird es - wenn HORA 25 am 10. Februar aus Hamburg zurückkehrten, um drei Tage lang im hiesigen Jungen Theater zu spielen - etwas ruhiger und ernsthafter zugehen. Eine Adaption der Erzählung „Alguien desordena esta rosas“ („Die Frau der Rosen“) von Gabriel Garcia Marquez steht auf dem Programm. Aber wer weiß, vielleicht läßt sich Garcia Marquez auch zerkloppen und verpoppen. Sehenswert dürfte es so oder so werden. Tim Ingold

HORA 25 spielen am 10., 11. und 12. Februar, jeweils 20.30 Uhr, im Jungen Theater im Güterbahnhof. Bei Interesse sind auch Vormittagsvorstellungen möglich unter Telefon Tel.: 0421 - 70 01 41

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