: Stadt Radio Fluss
■ Grüne: Radio Bremen soll an die Weser – an Stelle des Parkhauses. Senat gibt Machbarkeits-Studie in Auftrag
Die staatliche Finanzierung des Oceanparks sehen sie kritisch, das Musical stieß ihnen auf, sie gelten immer als Mahner und Warner. Doch jetzt haben die Bremer Grünen ein millionenschweres Entwicklungsprojekt vor Augen, das sie nach Kräften fördern wollen: Die Entwicklung eines Medienkompetenzzentrums im Faulenquartier mit Radio Bremen als Kern.
Direkt am Fluss soll dieser Kern liegen, dort, wo bisher das Parkhaus Diepenau steht. Das sei wohlverstandene Medien-, Wirtschafts- und Stadtentwicklungspolitik, begeistern sich die Bürgerschaftsabgeordneten Anja Stahmann, Karin Krusche und Helga Trüpel. Die Stadt müsse weiter an ihren Fluss angebunden werden, das Quartier brauche einen kräftigen Anschub und Radio Bremen politische Unterstützung für seinen Umzug.
Einen Finanzbedarf von rund 50 Millionen Euro (nicht zu verwechseln mit den 50 Millionen, die die Bürgerschaft kürzlich von der ARD als Umstrukturierungshilfe für RB forderte) sehen die Grünen für die Ummodelung des Faulenquartiers. Damit könne unter anderem das Diepenau-Parkhaus abgerissen werden, Ersatzgaragen angelegt und anfängliche Mitsubventionen finanziert werden. Seinen Umzug und Neubau müsse Radio Bremen aber selbstverständlich selbst bezahlen, betonen die Grünen.
Der Sender schätzt die Kosten für Umzug, Neubau und die Ausstattung mit neuer Technik auf 80 Millionen Euro. Die müssten unter anderem mit dem Verkauf der bisherigen Grundstücke an der Spitta-Allee und in der Bredowstraße erwirtschaftet werden. Die Zusammenfassung an einem Standort würde, Berechnungen von Intendant Heinz Glaessgen zufolge, pro Jahr 3,5 Millionen Euro sparen. Die Fläche des Senders in einem Neubau wäre auf 16.000 Quadratmeter halbiert. Und: Ein Medienzentrum würde nicht zuletzt für ehemalige Radio-Bremen-Mitarbeiter (die derzeit noch 530 Planstellen sollen auf maximal 400 reduziert werden) Arbeitsplätze schaffen.
Fakt ist allerdings, das bisher noch kein Investor von der Größenordnung wie Zechbau oder die Sparkasse auf den Plan getreten ist, der ein Medienkompetenzzentrum im Faulenquartier als lohnende Investition angepackt hätte. Jetzt soll ein Machbarkeits-Gutachten die Chancen eines Medienkompetenzzentrums in Bremen prüfen. Schon im September vergangenen Jahres hatte es die Wirtschaftsdeputation gefordert, jetzt hat es der Senat in Auftrag gegeben.
Bei der CDU gibt es nach wie vor Skepsis. Fraktions-Chef Jens Eckhoff betont: „Wenn sich Radio Bremen für das Faulenquartier entscheidet, werden wir das nicht verhindern. Aber begleitende Infrastrukturmaßnahmen müssen sehr genau geprüft werden.“ Auf jeden Fall müssten sie „deutlich geringer“ als die von den Grünen avisierten 50 Millionen Euro ausfallen. Das Credo des CDU-Mannes lautet nach wie vor: „Quersubventionen verhindern“.
Eckhoff bezweifelt, ob sich ein Medienkompetenzzentrum in Bremen lohnt: „Sogar die Hamburger haben damit doch Schwierigkeiten, weil alle nach Berlin wollen.“ Das Gegenbeispiel des Medienzentrums im ebenfalls nicht metropolitanen württembergischen Ludwigsburg, wo das im Zusammenspiel mit der dortigen Filmakademie sehr gut funktioniert, will Eckhoff nicht gelten lassen: „Radio Bremen ist kein Hort von jungen profilierten Kräften. Das sind nicht 400 gründungswillige junge Kräfte sondern ein Betrieb, der in einigen Bereichen nach wie vor sehr verkrustet ist.“
Im übrigen verweist Eckhoff auf die für September angekündigte Entscheidung der ARD über Umstrukturierungsbeihilfen für Radio Bremen. Eckhoff: „Erst dann wissen wir doch, ob es sich einen Umzug überhaupt leisten kann.
Das wiederum bringt Helga Trüpel in Rage. Ihr Verdacht: Die CDU blockiere den Radio-Bremen-Umzug, um Verhandlungsmasse gegenüber der SPD in der Hand zu behalten, die ihrerseits die von der CDU befürwortete Ausdehnung des Technologieparks ins Hollerland hinein ablehnt – ein Projekt, das auch die Grünen nicht wollen. Im Ergebnis blockierten solche „Deals“ die Entwicklung von Radio Bremen. Trüpel drastisch: „Das ist eine Art Geiselnahme.“ Dazu Eckhoff: „Völliger Quatsch – wir machen keine Deals.“
Wie auch immer. Nachdem bereits das letzten Sommer veröffentlichte Axon-GfL-Gutachten einen Neubau im Faulenquartier favorisiert hatte, kriegt das Quartier jetzt geballten Rückenwind.
Denn auch die Hamburger Consulting-Firma „Medien Consult International“ (MCI) kommt in einem gerade erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein kompletter Neubau billiger wäre als der Zusammenschluss an einem der bestehenden Standorte.
Das Hauptargument der auf Rundfunktechnik spezialisierten Firma: Der derzeitige Investitionsstau bei Radio Bremen erfordere weitgehende technische Investitionen, die in den vorhandenen Altgebäuden sehr teuer wären. Mit einem Neubau könne auch deswegen am schnellsten gespart werden, weil der laufende Sendebetrieb nicht gestört würde.
Allzuviel Wasser kann jedenfalls nicht mehr am potentiellen Sitz von Radio Bremen vorbei fließen, bis Entscheidungen getroffen werden . Henning Bleyl
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