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Zähmung der Kampffische

Trotz viel Technik und wenig Reflexion entwickelt sich die Transmediale mehr und mehr zu einem Publikumsfestival

Wegscheide zwischen unternehmerischer Gier und humaner Globalgesellschaft

„Damit seid ihr gemeint!“, rief ein engagierter Randall M. Parker voller medienaktivistischem Pathos ins Auditorium – eine Anspielung auf Marshall McLuhan, den Grandfather der Medientheorie, und dessen Hoffnung, die Künstler der Mediengesellschaft würden dereinst den „Kontrollturm der Gesellschaft“ übernehmen: „Gemeinsam werden wir eine neue Welt bauen!“

Zunächst sollte aber erst mal nur die Transmediale eröffnet werden. Zu diesem Zeitpunkt hielten wohl noch die allermeisten der Anwesenden den Medienkünstler Parker tatsächlich für den US-Minister für Kunst und Technologie, als der er angekündigt worden war. Dann sprach er von der anstehenden Wegscheide zwischen unternehmerischer Gier und humaner Globalgesellschaft und rief auf zur Unterzeichnung der „Berlin Virtualization Charter“ – erster Jubel und Zwischenrufe zeigten an, dass man den Hoax als solchen erkannt hatte. Parkers Performance mit ihrer doppelcodierten Mischung aus Politiker-Blah („Ich bin ein Berliner Künstler“) und Pseudo-Medienaktivismus wäre in der Tat eine Nominierung im Wettbewerb wert gewesen.

Gute Stimmung also im Haus der Kulturen der Welt, obwohl der Eröffnungsabend ansonsten in gewohnt steifer Manier vonstatten ging, da half auch die gelungene Performance von @c und Lia nicht viel. Beachtlich allerdings der Andrang: Das nicht eben klein bemessene Auditorium musste die Türen schließen, fast 2.000 Interessierte sollen am Dienstagabend da gewesen sein – kaum vorstellbar, dass dieses Medienfest bisher im Podewil stattgefunden haben soll. Der Umzug in die ehemalige Kongresshalle ist ein voller Erfolg: Die Architektur des Baues entspricht so ganz dem angesagten Formenvorrat des Retrofuturismus. Keine Frage, Andreas Broeckmann, der vor zwei Jahren die Leitung übernahm, hat die Transmediale auf eine ganz neue Stufe gehievt. Besonders stolz ist man auf die neu hinzugekommene Ausstellung zu aktuellen Positionen der Medienkunst – die Erfüllung eines lang gehegten Wunschtraumes.

Die Ausstellung ist in jedem Fall einen Besuch wert, schließlich kann man anschließend in der kostenlosen Media Lounge auf Sitzkissen alle Video-Screenings und auch die Softwareprojekte betrachten. Die Ausstellung selbst hat beträchlichten Schauwert, doch sie gerät insgesamt allzu sehr in den Nimbus einer technischen Leistungsschau. Es gibt eine merkwürdige Grenze zwischen Künstlern des etablierten Kunstbetriebs, die mit neuen Medien arbeiten, und den so genannten Medienkünstlern, wie sie auf der Transmediale vorwiegend vertreten sind. Letztere sind meist stärker am Technischen selbst interessiert als ihre Kollegen und bleiben bei diesem Interesse oft auch stehen. Kaum eines der anwesenden Werke erfüllt Ansprüche, wie sie von Bill Gray, Pipilotti Rist oder Bill Viola gestellt werden, was umso bedauerlicher ist, als diese weitgehend noch ausschließlich mit Video hantieren. So sehr man sich beispielsweise am Mittwochabend von der Performance der juke-bots, in der sich Wucht und Sorgfalt der Vinyl-scratchenden Industrieroboter zu einer eigentümlichen Grazie vermischen, faszinieren lassen konnte – als Installation bleibt das Ganze doch recht eindimensional. Die Vermutung des Katalogs, hier werde auf künstlerische Weise die Kreativität des DJs als reine Behauptung entlarvt, ist unfreiwillig komisch, denn eine medienreflektierende Dimension geht diesem Werk völlig ab. Mit Knickarmrobotern kann man auch auf der Hannovermesse spielen.

Das zweite Exponat der Ausstellung, welches sich im weitesten Sinne mit Robotik und „Musik“ beschäftigt, ist ganz anders geraten. Kenneth Rinaldo ist kein Unbekannter, was die Erforschung der Grenzen des Künstlichen und des Organischen angeht. Wirklich komisch sind seine „Siamese Fighting Fish“: An kranähnlichen Konstruktionen hängen Glaskugeln mit je einem Fisch, welcher mit der Ausrichtung seines Blickes die Bewegung seines Kranarmes steuert – so können sich die Kampffische im Raum begegnen, ohne sich gegenseitig anfallen zu müssen.

Auf der Transmediale gibt es „Autopoiese“ zu sehen. Zehn fragile Skulpturen hängen da von der Decke, konstruiert aus Polyurethangelenken und Ästen der Cabernet-Sauvignon-Rebe, beseelt mit Gruppenbewusstsein und einer einfachen Sprache aus Telefontönen. Die Skulpturen interagieren individuell und als Gruppe sowohl untereinander als auch mit den Besuchern: Allein gelassen bringen sie ein kybernetisches Ballet zur Aufführung, tritt ein Fremder dazwischen, wird die Eintracht irritiert. So scheint die Population dieses merkwürdigen Kleinstaates ein tierähnliches Eigenleben zu entwickeln. Die technische Brillanz verschärft ein Problem, das die Transmediale schon eine ganze Weile hat. Ohne Zweifel spielen die Ausstellung und auch der club transmediale in der ersten Liga. Dem stehen manchmal doch ziemlich harmlose Videos gegenüber, die gelegentlich weniger den Charme des Unfertigen, als vielmehr die Optik der Studentenarbeit haben. Da muss der alte Kern des Festes, der Videowettbewerb, aufpassen, dass er nicht unter die Räder kommt.

An den ersten beiden Tagen fiel allein Steve Hawleys „Love under Mercury“ auf: ein halbstündiges Gedicht über die Chemie des Quecksilbers und die Chemie der Liebe, das mit einigem Gefühl für Rhythmus einen Dialog mit sich selbst führt über die Mischungsverhältnisse heimlicher Gifte: „bad love, dirty science“.

Harmlose Videos, die gelegentlich die Optik einer guten Studentenarbeit haben

Vielleicht ist es aber auch genau das Besondere der Transmediale, dass die Heterogenität der Medienkunst einfach vorgeführt wird. Über die Berlinale wird gern gesagt, das Schöne an ihr sei ihre Verwurzelung als Publikumsfestival. Das ist es wohl, was auch die Transmediale werden will. Dieses Jahr ist sie dem Ziel ein Stück näher gekommen.

SEBASTIAN HANDKE

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