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Boot aus dem Backofen

■ Auf dem ehemaligen Vulkan-Gelände entsteht eine High-Tech-Yacht, die deutsche Segelsportgeschichte schreiben soll – wenn nicht vorher das Geld ausgeht

Die Uhren auf dem Gelände der Vulkan-Werft in Vegesack stehen still. Der wirtschaftliche Absturz des Unternehmens hat deutliche Spuren hinterlassen. Doch in einer Bootshalle der Industrie-Geisterstadt wird an einem Wunder des High-Tech-Schiffsbaus gewerkelt.

Der ausgestellte Segelschiffsrumpf beeindruckt auf den ersten Blick jedoch nicht durch technische Finesse, sondern durch seine Ausmaße: eine Länge von 25 Metern – was etwa den Abmessungen eines Pottwals entspricht – und einer Breite von 3,50 Metern. Bis zum 15. April soll sich der unlackierte, dunkelgraue Kohlefaser-Koloss in die erste deutsche Yacht verwandeln, die am America's Cup teilnimmt. Noch nie knatterte eine schwarz-rot goldene Fahne im Wind dieses Wettbewerbs. Vielleicht auch deshalb, weil das Bootsdesign aus dem Teilnehmerland stammen muss und Hochseesegeln in Deutschland nicht gerade ein Breitensport ist. Das Leverkusener Unternehmen „illbruck“ mischt mit seinem Programm „illbruck challenge“ zwar schon länger im Segelsport mit, aber jetzt steuert Michael Illbruck erstmals die Teilnahme an der seit 151 Jahren ausgetragenen Regatta an.

Um dort als Neuling so richtig in Fahrt zu kommen, heuerte „illbruck“ ein internationales Konstruktionsteam an, das Bootsbauer aus Neuseeland und Australien ebenso umfasst, wie Italiener, Portugiesen oder englische Spezialisten. Diese Crew machte sich daran, die besten Eigenschaften aller Yachten, die beim America's Cup 2000 an den Start gegangen waren, zu vereinen. Schlepptankversuche in der Hamburgischen Schiffsbau-Versuchsanstalt standen am Anfang – mit Modellen im Maßstab 1:3, was immer noch einer Länge von fast zehn Metern entspricht. Andere Leute würden damit durchaus schon segeln gehen, auch ohne vorher numerische Strömungssimulationen am PC vorgenommen zu haben. Die Bremerhavener Yachtdesigner Friedrich Judel und Torsten Conradi aber gaben sich auch mit den bunten Computer-Grafiken noch nicht zufrieden und entfesselten im Windkanal der TU Hamburg Stürme, um kleinere Schiffsnachbauten probeweise in Seenot zu bringen. Dann war die erfolgsträchtigste Rumpfform für das große Rennen gefunden.

Doch ein Ende der Tests war noch nicht in Sicht. Um herauszufinden, welche Materialien sich am besten eignen, wurden verschiedene Rumpfsektionen gebaut. Selbst die Klebstoffe wurden akribisch geprüft. Schließlich soll die High-Tech -Yacht auf hoher See nicht aus dem Leim gehen.

Jedes Detail muss dem Anspruch der Technik-Tüftler genügen. Am Beispiel einer verschraubten „Sandwich-Platte“ macht Torsten Conradi die Akribie deutlich, mit der hier vorgegangen wurde. Weil die Unterschiede zwischen den einzelnen Schiffsstandards nicht eben ins Auge stechen, wirkt das, was für Conradi „verdammt hohes Niveau“ ist, für den Laien wie erste Anzeichen für manische Detailversessenheit.

13.000 Stunden Arbeit stecken bislang im noch namenlosen Schiffstorso: Zunächst wurde eine hölzerne Rumpfform gebaut – milimetergenau, versteht sich. Die Spanten wurden zum Beispiel extra mit einem computergesteuerten Laser zugeschnitten. Dann musste der Meeresflitzer seine erste Feuertaufe überstehen: Der Rumpf wurde in einem Ofen gebacken, der die Kohlefaser auf 80 Grad Celsius erhitzte, um die Fläche so zu einem großen Ganzen zu verschmelzen.

Noch ehe der sportliche Kahn vom Stapel läuft, muss aber eine bedrohliche Klippe umschifft werden: Unkosten von 18 Millionen Euro. Finden sich bis April keine entsprechenden Geldgeber, dann fällt der kommende America's Cup für Deutschland doch noch ins Wasser. Auf dem Trockenen wird die Yacht aber auch dann nicht bleiben. Sie soll in jedem Fall bei sportlichen Wettbewerben Verwendung finden. Christoph Kutzer

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