: Steht die Arbeitnehmerkammer vor dem Aus?
■ Die „Zwangsmitgliedschaft“ der Kammer wird erneut vor Gericht angefochten
Jeder der 290.000 Angestellten in Bremen ist drin. Und ob er will oder nicht, er muss für die Mitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer auch zahlen: 0,15 Prozent des Bruttolohns, durchschnittlich 3,40 Euro im Monat. Dagegen will jetzt die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) klagen. „Der Zwangsmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer steht keine adäquate Leistung gegenüber“, sagt AUB-Landesbeauftragter Erwin Gebhardt. „Anders als Ärzte- oder Handelskammern nimmt die Arbeitnehmerkammer keine hoheitlichen Aufgaben wahr. Sie liefert nur simple Beratungen – das kann jeder, da muss ich nicht Mitglied sein“, meint Gebhardt. Die AUB ist ein Verein für gewerkschaftlich nicht gebundene Arbeitnehmer mit in Bremen rund 2.000 Mitgliedern.
Die Bremer Arbeiter- und Angestelltenkammer war nach dem Krieg von SPD-Senat und Bürgerschaft zur Unterstützung der Gewerkschaften eingesetzt worden – als Gegengewicht zu den starken Vereinigungen der Bosse. Heute gibt es nur noch im Saarland eine ähnliche Einrichtung.
Die Bremer Kammer hat 170 Angestellte in drei Geschäftsstellen. Sie berät jährlich in 90.000 Fällen zu Arbeits-, Sozial- oder Mietrecht, und wird dafür zusätzlich vom Land Bremen bezuschusst. Außerdem besuchen jährlich 20.000 Teilnehmer die Bildungsveranstaltungen oder Umschulungen der Kammer.
Bereits vor zwei Jahren war die AUB vor das Oberverwaltungsgericht gegangen. Erfolglos, weil sich die beklagte Angestelltenkammer durch die Fusion mit der Arbeiterkammer aufgelöst hatte. Jetzt muss erneut ein Gericht prüfen, ob der politische Schutz für die Kammer berechtigt ist. Immerhin zieht das Finanzamt jährlich automatisch insgesamt 12 Millionen Euro von den Löhnen der in Bremen arbeitenden Angestellten ab. „Diese Summe wird den Leuten entzogen“, meint Gebhardt.
Der Knackpunkt, den die AUB vor Gericht aufgreifen will: „Andere Kammern nehmen tatsächlich für den Staat hoheitliche Aufgaben wahr“, erklärt Gebhardt. „Sie erstellen Gebührenordnungen für Anwälte, prüfen Handwerker. Die Arbeitnehmerkammer tut nichts dergleichen. Deshalb werden wwir durch alle Instanzen gehen.“
Die Arbeitnehmerkammer sieht die Dinge naturgemäß etwas anders. „Noch sind wir mitten in der Prüfung der Klage“, erklärt Geschäftsführer Hans-Ludwig Endl. Deshalb könne er keine Stellungnahme abgeben. Und dennoch sehe die Kammer der Klage „mit großer Gelassenheit entgegen.“ ksc
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