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Jeder weint für sich

Sprachlos vor dem Tod: „Walking on Water“ (Panorama)

Am Anfang steht das Ende. Das Ende von Gavin. Er stirbt an Aids. Er will sterben, in Würde. Seine Freunde begleiten ihn und seine Familie. Der Arzt spritzt eine Überdosis Morphium. Aber Gavin stirbt nicht. Wieder und wieder zerreißt sein schnarrender Atem doch noch einmal die angespannte Stille, bis sich schließlich sein alter Freund Charlie eine Plastiktüte greift, Gavin den Atem nimmt und dem Leiden ein Ende bereitet.

Jedes Ende, so heißt es, ist ein neuer Anfang. „Walking on Water“ weiß, dass eher das Gegenteil wahr ist: Egal ob die beiden besten Freunde Charlie und Anna, ob seine Mutter oder sein Bruder, ob ehemalige Liebhaber oder längst vergessene Bekanntschaften, jeder und jede, die Gavin zurückgelassen hat, muss sich erst einmal abarbeiten am Verlust. Rund um Vorbereitung und Ablauf der Beerdigung entwickelt sich nun ein Machtspiel. Wer bestimmt, wie das Blumenbukett aussieht? Wer darf den Abwasch machen? Wer weint wie laut und wie lange? Kurz: Wer hat das Recht zu trauern?

Mit seinem Spielfilmdebut schreibt der bislang eher als Dokfilmer tätige Tony Ayres eine Fortsetzung für bisherige Aids-Filme, die stets mit dem Tod des Protagonisten endeten. Langsam und liebevoll schält er aus dem pietätvollen Schweigen das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Gavins Hinterbliebenen heraus. Der liebe Verstorbene ist plötzlich nur noch auf Erinnerungsschnappschüssen präsent und die Überlebenden stellen fest, dass sein Tod mehr Fragen aufwirft als klärt. Gavin ist erlöst, aber die, die er zurücklässt und die sich auch über sein Leiden definiert hatten, müssen nun erst wieder zu sich selbst finden.

Was „Walking on Water“ dabei einfühlsam in Szene setzt – öfters sentimental, aber niemals kitschig –, ist die plappernde Sprachlosigkeit, die Unfähigkeit im Umgang mit dem Verlustschmerz, vor allem aber, wie es diese Gesellschaft verlernt hat, Trauerarbeit zu leisten. Dabei tut es noch nicht einmal etwas zur Sache, dass Gavin an AIDS stirbt. Diese australische Low-Budget-Produktion ist sehr viel universeller: Getrauert wird schließlich auch um Tote, die auf traditionellere Arten ums Leben gekommen sind. Das Sterben mag im Zeitalter von Aids zur öffentlichen Angelegenheit geworden sein, aber noch weint jeder für sich allein.

THOMAS WINKLER

„Walking on Water“. Regie: Tony Ayres. Australien 2001, 90 Min.

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