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Endlich Bayern verstehen

Ein Integrationskurs für den Rest Deutschlands, herausgegeben vom Kanzlerkandidaten: Das CSU-Organ „Bayernkurier“ macht sich auf den Weg zur gesamtdeutschen Wochenzeitung. Und hofft auf viele Exklusivmeldungen aus dem Stoiber-Wahlkampf

aus München KONRAD LISCHKA

Jetzt hat sogar der Bild-am-Sonntag-Chefredakteur ein Abonnement des Bayernkuriers. Neulich, an irgendeinem Donnerstagmorgen war die Bestellung per Fax da. Ein bezahltes Abo! Unbefristet! Und das in Hamburg! „Die Menschen wollen Bayern verstehen, wollen wissen, welche Politik Edmund Stoiber macht, und finden das im Bayernkurier aus erster Hand“, freut sich Verlagsleiter Bernd Münzenmaier. Denn immerhin ist Edmund Stoiber Herausgeber des Bayernkuriers. Und CSU-Vorsitzender. Und Kanzlerkandidat.

Dabei hatte man beim Bayernkurier gar nicht damit gerechnet. Nicht so schnell zumindest. Eigentlich sollte der bundesweite Kioskverkauf der CSU-eigenen, seit 2001 von einer Tochterfirma der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vertriebenen Wochenzeitung erst jetzt im Februar beginnen. Dann aber erklärte Stoiber schon Anfang Januar seine Bereitschaft zur Kandidatur, und das Blatt musste so schnell wie möglich an die Kioske von Flens- bis Freiburg. 2.000 Exemplare gehen vorerst in den überregionalen Einzelverkauf, 500 davon nach Berlin.

Wer die kaufen soll? „Das bürgerliche Lager“, antwortet Chefredakteur Peter Schmalz, der im Mai vergangenen Jahres von Springers Welt zum Bayernkurier kam. Er will aus dem Parteiblatt „die Zeit des Südens“ machen. Viel verändern muss er seiner Meinung nach nicht mehr: „Ich habe den Bayernkurier so renoviert, dass er heute eine gut lesbare Wochenzeitung ist.“

Tatsächlich hat sich einiges getan, seit Schmalz vor rund zehn Monaten die Leitung übernahm. Man kann sich zum Beispiel nicht mehr so leicht über die Wochenzeitung amüsieren.

Noch im Herbst 2000 kommentierte die Zeitung einen Besuch Edmund Stoibers bei der UNO vollen Ernstes wie folgt: „Wenn Bayern sich in verschiedenen Bereichen moderner Entwicklungen – wirtschaftlich, wissenschaftlich oder strukturell – in der Spitze der Welt findet, so ist es selbstverständlich, dass der Regierungschef des Freistaates die Kontakte pflegt, die einer solchen Position angemessen sind.“ Heute steht im Bayernkurier weniger über Bayern und viel mehr über die politische Konkurrenz. Zum Beispiel über die Herkunft des PDS-Vermögens, die angeblich zu niedrigen Mieten, welche die SPD-eigene „Konzentration GmbH“ der Partei in den 1990er-Jahren berechnet hat. Oder die stillen Beteiligungen der Sozialdemokraten an diversen Zeitungshäusern.

Ein herausragendes Beispiel für den investigativen Journalismus, den Schmalz pflegen will, wurde der Artikel über das Medienimperium der SPD allerdings nicht. Er verspricht aufzuzeigen, „wie mit Medienbeteiligungen Politik gemacht wird“, leistet gerade das aber nicht. Einziges handfestes Indiz für eine Einflussnahme ist, dass Zeitungen, an denen die SPD beteiligt ist, die Stern-Geschichte über die angeblich betrügerische Verquickung von Abo-Werbung und Parteienfinanzierung positiv kommentiert haben. Das ist interessant, aber kein riesiger Skandal.

Nicht neu, aber wichtig ist im Bayernkurier die innerparteiliche und nun auch leicht überparteiliche Debatte. Inzwischen diskutieren Gastautoren von der CDU mit, etwa der ehemalige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts Werner Münch über seinen Nachnachfolger Reinhard Höppner oder die CDU-Abgeordnete Maria Böhmer über Stammzellenforschung.

In Zukunft soll der Kreis der Interviewpartner und Gastschreiber sogar noch ein wenig weiter gefasst werden. Wird es so weit kommen, dass tatsächlich einmal nicht nur Nicht-Bayern, sondern auch Nicht-ganz-Christsoziale für den Bayernkurier schreiben dürfen? Man darf gespannt sein.

Noch ist der Bayernkurier nicht die „Zeit des Südens“. Aber zumindest die „Zeit der CSU-Parteipresse“, auch wenn die Konkurrenz da nicht sonderlich groß ist. Mit Exklusivmeldungen von Stoibers Wahlkampf, ja vielleicht dereinst sogar aus Stoibers Regierung, rechnet Schmalz durchaus: „Daran ist Herr Stoiber sehr interessiert.“ Seine Bereitschaft zur Kandidatur hat er allerdings der Welt verraten. Am 7. Januar zitierte ihn das Blatt: „Wenn es von beiden Parteien gewünscht wird, bin ich bereit, mich in den Dienst der gemeinsamen Sache zu stellen.“ Am 10. Januar stand im Bayernkurier als Antwort auf die K-Frage nur der Satz: „Angela Merkel und ich werden die Kanzlerkandidatur in einem freundschaftlichen, vertrauensvollen Gespräch klären.“

Peter Schmalz ärgert da ein wenig die wöchentliche Erscheinungsweise: „Solche Dinge kann man nicht für den Bayernkurier geheim halten. Da müssten wir schon täglich erscheinen, dass so etwas exklusiv bei uns steht.“ Natürlich lacht er, als er das sagt. Denn zunächst muss sich der Bayernkurier erst mal als Wochenzeitung bewähren. Die verkaufte Auflage lag im dritten Quartal 2001 bei 74.724 Exemplaren. Früher, als das Blatt noch allen CSU-Mitgliedern kostenlos zugeschickt wurde, waren es etwa 100.000 Exemplare mehr.

Ein bisschen Kioskverkauf und einige Abos außerhalb von Bayern kann der Bayernkurier also durchaus gebrauchen. Vor einem Jahr, als der Kioskverkauf alten Typs zunächst eingestellt wurde, kamen laut IVW-Statistik von 884 Exemplaren im Einzelverkauf 491 als Remittenden zurück. Das neue Profil muss sich jetzt bewähren, bis zum Dezember 2003 soll das Blatt keine Verluste mehr machen. Dann läuft der Vertrag zwischen CSU und der FAZ-Tochter Leadermedia über die Führung der Verlagsgeschäfte aus.

Und selbst wenn Stoiber nicht Kanzler wird, gibt es nach dem September für Nicht-Bayern noch einige Gründe für ein Abo: Zum einen erhält man als Prämie die Sonderbriefmarke „Franz Josef Strauß“, die 1995 erschienen und bald nicht mehr zu haben ist. Und zum anderen kann man bisweilen doch noch einen erstaunten Blick auf die Größe Bayerns werfen.

Zum Beispiel auf Krumbad: „Nordlichter verirren sich ohnehin nur vereinzelt in den Schwäbischen Barockwinkel“, weiß der Bayernkurier, verrät aber auch ebendiesen trotzdem exklusiv die Geheimnisse des ältesten Heilbads Schwabens: La-Stone-Therapie aus Arizona nach „alten indianischen Praktiken“ mit „runden Steinen in allen Größen“, „extra aus Texas geliefert“, und dazu in friedlicher Koexistenz das Milch-Bad von der Biobäuerin, die „auf den klostereigenen Flächen wirtschaftet“. Laptop und Lederhose, mexikanische Steine und bayerische Biomilch – wieder einmal ist Bayern Spitze. Was ganz beruhigend ist, denn sonst wäre die Welt auch eine ganz andere. Und wer will das schon.

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