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Dialog fördern mit neuen Denkweisen

Klaus Lefringhausen, 67, ist der neue Integrationsbeauftragte von Nordrhein-Westfalen und der erste überhaupt in Deutschland. Ein Interview

taz: Warum fungieren Sie als Integrations- und nicht als Ausländerbeauftragter?

Klaus Lefringhausen: Das hat zwei Gründe: Einmal sind auch die Aussiedler aus der ehemaligen UdSSR gemeint, die ja Deutsche sind und deshalb nicht von einem Ausländerbeauftragten betreut werden können. Und zweitens geht es um das Doppelmandat, die Integrationsbereitschaft der Zugewanderten, aber auch die der deutschen Öffentlichkeit, der Mehrheitsgesellschaft, zu vergrößern.

Sie müssen also einen sehr breiten Spagat bestehen. Einerseits Programme und Konzepte für Einwanderer entwerfen, andererseits Öffentlichkeitsarbeit für Deutsche machen.

Das ist schon so. Nur: Die einzelnen Maßnahmen für Zuwanderer werden schon in unendlich vielen Kompetenzbereichen innerhalb der Landesregierung, aber auch in Verbänden und Nichtregierungsorganisationen sehr gut besetzt. Meine Aufgabe ist es eher, diese verschiedenen Initiativen zu bündeln und auch inhaltlich an dem zu orientieren, was man Leitbegriff einer integrierten Kultur nennen kann.

Was heißt das konkret?

Es weiß noch keiner, wie eine solche Zielvorstellung einer integrierten Gesellschaft aussehen kann. Wie viele Nischen kann man anderen zumuten und auch zubilligen? Wie viele eigene Wirtschaftskreisläufe kann man den Zugewanderten erlauben? Wie verfährt man in der Kopftuchfrage? Das heißt: Was ist eine Zivilgesellschaft? Muss eine integrierte Gesellschaft kulturell unbedingt homogen sein? Auch das ist eine nicht ausdiskutierte Frage …

die Sie in den nächsten Jahren ausdiskutieren wollen?

Meine Idee dabei ist, dass man ein Konsultationsverfahren in Gang setzt, dass etwa dem entspricht, was die Kirchen in den Neunzigerjahren bei der Erarbeitung ihres Sozialwortes angewandt haben. Sie haben einen vorläufigen Text in die öffentliche Debatte gegeben und damit eine Dialoglawine ausgelöst, die dabei half, einen sozialen Grundkonsens in der Gesellschaft zu ermitteln. So ähnlich wäre ein Konsultationsprogramm zu starten, bei dem auch die Zugewanderten die Chance bekommen, am Leitbegriff einer integrierten Gesellschaft mitzuarbeiten.

Haben Sie eine Vorstellung, wie der Grundtext, den Sie in die Diskussion geben wollen, aussehen wird?

Der muss auch mit Partnern im Dialog entwickelt werden, um dann als fortschreibungsbedürftiges Papier in die öffentliche Debatte gegeben zu werden, so dass man dann hinterher aus den Reaktionen das Beste machen kann.

Was können die Deutschen zur Integration beitragen?

Denkbar wäre zum Beispiel, dass es einen gesamtgesellschaftlichen Senior-Service gibt von Deutschen, die in ein aufgabenloses Rentenalter geraten sind und bereit wären, als Integrationshelfer zu arbeiten. Dass sie die Zugewanderten begleiten, ihnen auch helfen beim Behördengang und so weiter. Das wäre eines von vielen Beispielen, die Mehrheitsgesellschaft aktiv an Integrationsaufgaben heranzuführen.

Sie setzen also auf ehrenamtliches Engagement?

Ja. Nur so kann die Zivilgesellschaft an eine aktivere Rolle herangeführt werden. Integration lässt sich nicht verordnen. Die eigentlichen Integrationshindernisse entstehen im Alltag des Zusammenlebens.

Sie wollen auch auf so genannte Exposure-Programme zurückgreifen, die Sie aus Ihrer Arbeit in der Dritten Welt kennen.

Das sind Programme, bei denen sich Menschen vorübergehend in ganz andere Lebenslagen und Kulturen begeben. Ich habe das zum Beispiel einmal in Südafrika erlebt, wo die Kirchen mich gebeten haben, den Polizeipräsidenten von Johannesburg einzuladen, ein Wochenende bei einer schwarzen Familie in einer Township zu verbringen. Und es gibt vergleichbares in der Entwicklungspolitik. Zum Beispiel in Indien, wo Bankdirektoren acht Tage lang in einem Dorf gelebt haben und dabei mehr erlebten, als ganze Bibliotheken vermitteln können. Ich kann mir vorstellen, dass es Sinn macht, wenn der Leiter eines Ausländeramtes mal eine Woche bei Asylanten lebt.

Ist es angesichts der allgegenwärtigen Finanzmisere als Integrationsbeauftragter überhaupt möglich, etwas zu bewirken?

Die Finanzprobleme sind natürlich belastend. Andererseits habe ich das Gefühl, dass wir uns durch Nichtstun Zeitbomben legen und dass die Politik sehr wohl weiß, wie ernst die Lage ist. Ich vermute und hoffe, dass allen Politikern klar ist, dass die Scherben, die unter Umständen im Wahljahr entstehen, nicht wieder gekittet werden können. Und dass deshalb Zurückhaltung bei diesem Thema die Oberhand gewinnt.

Sie gelten als Experte für Entwicklungspolitik und Krisenmanagement. Inwieweit qualifiziert Sie das für Ihren jetzigen Job?

Ich habe unter anderem zwischen den Bürgerkriegsparteien im Sudan, in El Salvador, in Guatemala vermittelt; da war die Vermittlungsaufgabe wahnsinnig interessant, weil es darum geht, das militärische Denken umzudrehen. Militärisch denken heißt, den anderen schwächen. Wenn man aber zu einem Kompromissfrieden kommen will, muss man den anderen nicht schwächen, sondern stärken, damit er in der Lage ist, Ergebnisse im eigenen Hinterland auch durchzusetzen. Und ich glaube, dass wir auch in den Begegnungen mit Zugewanderten sehr darauf achten müssen, sie zu stärken und nicht durch unser Vorwissen und unsere Präsenz wieder in die Rolle der Nichtwissenden zurückzudrängen.

INTERVIEW: ULRICH NOLLER

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