piwik no script img

Liberias Krieg um Macht und Tropenholz

Der mit UN-Sanktionen belegte Präsident Charles Taylor verhängt den Ausnahmezustand, nachdem sich die Rebellenbewegung LURD der Hauptstadt Monrovia nähert. Zehntausende sind in der Kampfregion auf der Flucht

BERLIN taz ■ Es scheint in Westafrika die Regel zu sein, dass in Sierra Leone und Liberia nie gleichzeitig Frieden herrscht. Nachdem Liberias erster Bürgerkrieg 1996 nach sechs Jahren zu Ende ging und Rebellenführer Charles Taylor eine freie Präsidentschaftswahl gewann, flammte in Sierra Leone Krieg auf; seit einigen Monaten ist Sierra Leone befriedet, und in Liberia tobt wieder Krieg.

Am Freitag verhängte Liberias Präsident Taylor den Ausnahmezustand über das Land, nachdem Rebellen der Hauptstadt Monrovia so nahe gekommen waren wie nie zuvor. Die „Vereinigten Liberianer für die Wiederherstellung der Demokratie“ (LURD) besetzten kurzzeitig die Ortschaft Kray 28 Kilometer nördlich von Monrovia, ein Sammelpunkt von Kriegsflüchtlingen, und trieben tausende in die Flucht.

Die LURD nahm ihren Kampf im Sommer 2000 auf. Sie operiert aus Liberias nördlichem Nachbarstaat Guinea heraus. Im vergangenen November stieß sie erstmals aus der Bergen an der Grenze hinunter Richtung Monrovia vor und griff Sawmill an, 100 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Diese Region ist seither umkämpft. Die LURD wird von zahlreichen Exilliberianern unterstützt und genießt das Wohlwollen Großbritanniens, das mehr oder minder offen den Sturz Taylors betreibt. Großbritannien ist die Schutzmacht der Regierung Sierra Leones, die jahrelang gegen die von Taylor unterstützte Rebellenbewegung RUF (Vereinigte Revolutionäre Front) gekämpft hat. Weil die RUF ihren Krieg durch den Export sierra-leonischer Diamanten über Liberia finanziert haben soll, gelten seit dem 7. Mai 2001 UN-Sanktionen gegen Liberia. Das Land darf keine Diamanten verkaufen, und seine Führung bekommt keine Visa zu Auslandsreisen. Einem Waffenembargo unterliegt das Land schon länger.

Internationale Nichtregierungsorganisationen forderten im Herbst die Ausweitung dieser Sanktionen auf Liberias Tropenholzexporte, die zum Rückgrat der liberianischen Wirtschaft geworden sind. Auf Empfehlung des UN-Generalsekretärs Kofi Annan nahm der UN-Sicherheitsrat davon im November zunächst Abstand. Annan betonte, ein Tropenholzembargo würde den Kollaps der liberianischen Wirtschaft und damit zahlreiche Tote bedeuten. Die LURD-Rebellen agierten derweil wie ein bewaffneter Arm der Sanktionsbefürworter und griffen Liberias Holzindustrie an.

Präsident Taylor hat derweil kräftig versucht, das Image eines Gangsters loszuwerden. Er hat die meisten sichtbaren Verbindungen zu den RUF-Rebellen in Sierra Leone gekappt und auch innenpolitisch die Zügel etwas gelockert. War er bisher damit zufrieden, dass alle seine Gegner im Exil sitzen und er damit auf einen sicheren Sieg bei den nächsten Wahlen im Oktober 2003 zusteuert, möchte er nun beweisen, dass man in Liberia auch friedlich Politik machen kann. Seine Hauptgegnerin Ellen Johnson-Sirleaf, die er 1996 besiegt hatte, kehrte im September aus dem US-Exil nach Liberia zurück. Für Juli hat Taylor eine „nationale Versöhnungskonferenz“ einberufen, und am Freitag hob er das weltweit kritisierte Verbot des kirchlichen Rundfunksenders „Veritas“ auf.

Zugleich hat Taylor deutlich gemacht, dass er immer noch Warlord ist. „Ich will nicht zurück in den Busch gehen, aber ich liebe den Busch“, warnte der Präsident zu Jahresbeginn im Radio. „Sollte man mich umbringen, werden wir kämpfen, bis es hier nie wieder Stabilität gibt.“

Für Liberias drei Millionen Einwohner ist der Krieg eine Katastrophe. Schon der Krieg von 1990–1996 tötete 200.000 Menschen. Das Bruttosozialprodukt sank von 1,62 Milliarden Dollar 1989 auf 433 Millionen 1997. Ausländische Wiederaufbauhilfe blieb danach wegen des Misstrauens gegen Taylor aus, was das Land in die Hände von Diamanten- und Tropenholzspekulanten trieb. Der größte Investor in Liberia ist heute die indonesische Oriental Timber Company, die das Abholzungsrecht über weite Landesteile hält und Ende Januar in der Stadt Buchanan die nach eigenen Angaben größte Holzverarbeitungsfabrik Afrikas eröffnete. Die UN-Sanktionen haben derweil den Abbruch zahlreicher Hilfsprojekte für die Bevölkerung erzwungen. An die 40.000 Flüchtlinge sind jetzt aufgrund der Kämpfe nördlich der Hauptstadt für Hilfe unerreichbar. DOMINIC JOHNSON

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen