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Fixiert auf die Idole

Dickes W: Wim Wenders’ BAP-Porträt „Viel passiert“ (Wettbewerb) ist auch Dokument einer Nachkriegsgeneration. Vor allem aber erzählt darin Niedecken über Niedecken

Wahrlich, ich sage euch: Wim dreht einen Film über Wolfgang, lädt Wolf dazu ein, und Geschichte wird geschrieben. Die drei Ws sind Wenders, der mit „Viel passiert“ das Schaffen von BAP dokumentiert und darin Biermann auftreten lässt. Der wiederum lieferte die dichterische Initialzündung für Niedecken. „Der Mann sang Klartext“, brummt Niedecken dankbar aus dem Off über Biermann.

Was Biermann im Gegenzug zu sagen hätte, wird von Wenders allerdings nicht überliefert. Wie ihn überhaupt ausschließlich der Binnenblick auf die Kölsche Combo interessiert. Man erfährt, was Niedecken denkt über Ray Davis, über die Rolling Stones, über Köln natürlich, aber auch über die DDR, übers Dichten und über Fußball, vor allem aber immer wieder: Was Niedecken denkt über Niedecken.

Für den Film gemietet wurde das schöne, alte Kino Lichtburg in Essen, in dem BAP mal mit, mal ohne Publikum auftreten. Die Songs ließ Wenders hochdeutsch untertiteln. Dazu spielen Joachim Król und Marie Bäumer eine Rahmenhandlung, die einem Niedecken-Text nachempfunden ist. Dokumentaraufnahmen aus einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte ergänzen die Inszenierung. So sitzt Niedecken nun im Kino, guckt Niedecken zu und erzählt aus dem Off von den Einflüssen Niedeckens.

Das ist schon ziemlich eingebildet, aber wäre noch zu ertragen gewesen. Die Inszenierung hätte vielleicht gar als Selbstentlarvung funktionieren können, aber dazu hätte Wenders sich wenigstens eine minimale Restdistanz bewahren müssen. Stattdessen aber darf sich Niedecken als wandelnde Schwermut inszenieren und schlürft im langen Mantel mit steinschweren Schultern und miesepetriger Miene als Dean/Dylan-Karikatur durch die von Wenders sehr sorgsam gestalteten Bilder.

So ist Wenders eben nicht der „Heimatfilm“ gelungen, den er glaubt gedreht zu haben. Zwar versucht Heinrich Böll, der einzige, der neben Niedecken selbst etwas über BAP sagen darf, die Band in eine bis ins 11. Jahrhundert zurückreichende Kölner Widerstandstradition einzuordnen. Eher allerdings ist mit „Viel passiert“ ein Dokument jener letzten Nachkriegsgeneration entstanden, die sich noch allein über die Siegermächte definiert hat, sei es positiv in der Aneignung ihrer Kultur oder negativ im Kampf gegen ihre Politik. BAP waren immer begeisterte Adepten von Rock ’n’ Roll und Beat und spielten tapfer gegen Imperialismus und Nachrüstung.

Zum Schluss von „Viel passiert“ wird Niedecken denn auch folgerichtig von einem Schauspieler in US-Polizei-Uniform verhaftet. Ein Straftatbestand ist jedenfalls gegeben: Selbstverliebte Geschichtsschreibung.

THOMAS WINKLER

„Viel passiert – Der BAP Film“. Regie: Wim Wenders. D 2001, 96 Min.

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