strafplanet erde: filme von früher von DIETRICH ZUR NEDDEN:
Es war fast Nacht, und ich sah einen Film, der von früher erzählte. „Enigma“ hieß er. Ich hatte zufällig kurz vorher das Buch von Robert Harris gelesen, das dem Film zugrunde liegt, und war nun gespannt, wie man einen Satz wie diesen visualisiert: „Sie trug ihr langes, dunkles Haar wie Kopfweh, wütend aufgetürmt und von Haarnadeln durchbohrt.“ Fragen Sie nicht, ob es gelang, die Szene ist mir entgangen oder sie wurde gestrichen. Gespielt wurde die Frau, von der die Rede ist, von Kate Winslet, die beim „Untergang der Titanic“ mir Kopfweh bereitete. So kann’s gehen.
„Enigma“ hält die Kollateralzwänge des Zweiten Weltkriegs fest, wodurch noch einmal deutlich wird, dass die Täter bitte schön nicht Opfer sind, sondern höchstens Opfer der Konsequenzen ihrer Taten. Es geht in „Enigma“ nicht so sehr und direkt um die Millionen Toten, das Verbrechen ist ja eh klar, sondern um die Aggression, die das Leben jedes Einzelnen beeinflusst, weil ein Land seinen Größenwahn auslebt. Harris beschreibt das so: „Hier war es, wo der Teufel des Krieges wohnte: in den Details, in den tausend kleinen Demütigungen, die der ständige Mangel an Toilettenpapier, Seife, Streichhölzern oder sauberer Kleidung mit sich brachte. Die Zivilisten waren verelendet. Sie stanken, und das war die reine Wahrheit. Körpergeruch lag über den Britischen Inseln wie ein dichter, saurer Nebel.“
Dergleichen mögen manche lächerlich finden, doch der Nebel allein sollte reichen, gegen Krieg zu sein, vor allem gegen solche, die man nicht selbst anfängt. Aber wie wär’s mit einer weiteren Zwangslage? Der Angreifer zwingt mich zu der Entscheidung, ein paar tausend Menschen über die Klinge springen zu lassen, weil er andernfalls merkt, dass ich seinen Geheimcode geknackt habe, oder weil ich ihn nur so zu dechiffrieren vermag, um den Krieg zu gewinnen?
Unversehens sind wir in die Nähe der Fragen geraten, die einem gestellt wurden, wenn man um 1980 den Kriegsdienst verweigerte. Viele Mitschüler vermieden diese unbehagliche Situation, zogen in die Frontstadt mit der Mauer drumrum, und weil sie schon mal da waren, besetzten sie leerstehende Häuser. Davon handelt ein anderer Film, der gerade in den Kinos läuft: „Was tun, wenn’s brennt?“ Die Kritiken fielen, um es vorsichtig auszudrücken, eher verhalten aus. Unbesehen ahne ich, woran es liegt, dass er nicht sonderlich erfolgreich zu sein scheint. Der Titel nämlich zitiert ein damals viel gehörtes, gleichsam durch die Kreuzberger Altbauten lärmendes Stück der Punkband Hans-A-Plast, die es bis aufs Cover von der Zeitschrift Sounds brachte, aber der Song kommt in dem Film, wenn man der Soundtrackliste glauben darf, gar nicht vor. Textprobe: „Wenn dein Einkaufszentrum, deine Welt vor dir in Flammen zusammenfällt, und du stehst da mit deiner Plastiktüte in der Hand. Tiefgefrorenes wolltest du kaufen“, nämlich für das Dinner zu zweit: „Romantik, Kerzenschein und Vinaigre und hinterher – ein Fick“. Und das sang eine Frau! Eine andere spielte Bass, eine dritte Schlagzeug. Keine von ihnen hatte Ähnlichkeit mit Kate Winslet. Aber das nur nebenbei.
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