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Volksentscheide in der Zwickmühle

Wie viel Bürgerbeteiligung bringen die rot-grünen Eckpunkte? Der Aktion „Mehr Demokratie“ geht der Regierungsentwurf zu Volksabstimmungen auf Bundesebene nicht weit genug – während CDU und CSU den Kompromiss prinzipiell ablehnen

von NICOLE JANZ

Das Eckpunktepapier von SPD und Grünen zum Volksentscheid auf Bundesebene wird von mehreren Seiten beschossen. Während die Union die Vorschläge grundsätzlich ablehnt, gehen sie den Befürwortern noch nicht weit genug. „Wir befürchten, dass das Gesetz die Mitbestimmung in der Praxis nicht wirklich ermöglicht, vor allem, wenn auch noch Kompromisse gegenüber der Union eingegangen werden“, sagte Claudine Nierth, Sprecherin der Bürgeraktion „Mehr Demokratie“, gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Gerald Häfner, der den Entwurf mit gestaltet hat, verteidigte die Eckpunkte.

Das Papier sieht vor, dass es erst nach drei Hürden zum Volksentscheid kommt. Für einen Gesetzesentwurf muss zuerst eine Volksinitiative gestartet werden, die 400.000 Unterschriften von wahlberechtigten Bürgern sammeln muss. Wird der Entwurf nicht innerhalb von acht Monaten im Parlament verabschiedet, folgt die zweite Hürde: Die Initiatoren brauchen die Unterstützung von 3 Millionen Stimmberechtigten, um ein Volksbegehren einzuleiten. Verabschiedet der Bundestag auch dann nicht das Gesetz (innerhalb von sechs Monaten), kann es zum Volksentscheid kommen. Die dritte Hürde ist das Beteiligungsquorum: 20 Prozent der Stimmberechtigten müssen sich an der Abstimmung beteiligen, dann entscheidet die Mehrheit.

Die Kritik von „Mehr Demokratie“ setzt schon am Anfang des Verfahrens ein. Die Aktion fordert niedrigere Hürden. Für die Volksinitiative sollen nur 100.000 Stimmen gesammelt werden, für das Volksbegehren nur 1 Million. Scharfe Kritik übte Nierth an dem Beteiligungsquorum beim Volksentscheid von 20 Prozent. Man werte automatisch die Stimmen der Menschen, die nicht zur Urne gehen, als Neinstimmen. „Das ist fatal, eine Enthaltung soll eine Enthaltung bleiben.“

Andreas Gross, Politikwissenschaftler in Zürich, preist die Schweiz und die USA als Vorbild an, weil dort auf solche Quoren verzichtet wird. „Hohe Quoren sind eindeutige Killer“, sagt er. Häfner verteidigt die Eckpunkte als Kompromiss: „Es ist kein Geheimnis, dass die Grünen lieber ein Gesetz ohne Beteiligungsquoren gehabt hätten, allerdings halte ich sie in dieser Form für kein zu großes Hindernis.“ Häfner sitzt zwischen den Stühlen. Der Abgeordnete hat nicht nur im Namen der Grünen verhandelt – er ist auch Vorstandsmitglied bei „Mehr Demokratie“.

Unsicher ist derzeit noch, welche Themen SPD und Grüne von der Volksabstimmung ausschließen wollen. Denkbar sind beispielsweise Themen, die die Finanzen betreffen. „Mehr Demokratie“ ist strikt gegen solche Themenbeschränkungen. „Der Bürger ist doch nicht für ein Thema mündig und für das andere nicht“, so Nierth.

Trotzdem begrüßt sie im Endeffekt das Eckpunktepapier. „Wir sind froh, dass überhaupt etwas passiert. Und in ein paar Jahren kann man das Gesetz wieder ändern – vielleicht mit einer Volksabstimmung.“

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