: Freie Kita-Marktwirtschaft
■ Bremer CDU will Kita-Betreuung teuer machen: Alles über vier Stunden sollen Eltern zahlen. Dabei gibt es bessere Beispiele, zeigt ein CDU-Hearing
Johannes Münder steht auf dem Prinzip Angebot und Nachfrage. Ginge es nach dem Juristen vom Institut für Sozialpädagogik der TU Berlin, dann würde das Wechselspiel der Marktkräfte – und nicht eine behördliche Planung – dafür sorgen, dass es genügend Kindergartenplätze gibt. Und zwar zu den richtigen Zeiten und mit pädagogischen Konzepten, die sich nach den Wünschen der Eltern richten. „Wir müssen raus aus der Planwirtschaft“, forderte der Berliner am Mittwochabend im Börsenhof. Dort war er neben dem Hamburger Kita-Experten Sören Arlt einer von zwei Rednern beim Hearing der CDU-Bürgerschaftsfraktion zu „neuen Ansätzen bedarfsgerechter Kinderbetreuung“.
Mehr Markt bei der Kinderbetreuung will auch die Bremer CDU. Das Bremer Kita-System sei unflexibel bei den Betreuungszeiten und ineffizient, kritisierte die jugendpolitische Sprecherin Silke Striezel. Sie sprach sich für ein System aus, das nur vier oder fünf Stunden Betreuung am Tag garantiert. Wollten die Eltern ihre Kinder länger in der Kita lassen, müssten sie dies eigens vereinbaren – „und natürlich bezahlen.“
Argumentative Unterstützung für ihr Vorhaben hatten sich die Christdemokraten auch vom Leiter des Hamburger Amtes für Kindertagesbetreuung, Sören Arlt, erhofft. Zusammen mit Münder hat der das Hamburger „Kita-Gutschein“-Modell entwickelt, das im Sommer 2003 in der Elb-Stadt eingeführt werden soll. Doch beide Referenten machten schnell klar, dass sich ihre Vorstellungen nicht unbedingt mit denen der Gastgeber deckten. Denn selbst Markt-Verfechter Münder will nicht allein den Geldbeutel der Eltern darüber entscheiden lassen, welches Kind länger als die in Bremen gesetzlich garantierten vier Stunden im Kindergarten betreut wird. „Da muss das Solidar-Prinzip zum Zuge kommen“, forderte er. Ob und in welchen Fällen der Staat die Kosten für weiter gehende Betreuung zu tragen habe, ließ der Berliner Experte offen: „Das ist eine politische Entscheidung.“
In Hamburg soll in Zukunft eine „zentrale Prüfstelle“ über den individuellen Kindergarten-Bedarf jedes Kindes entscheiden. Dieser amtlich festgestellte Bedarf, über den die Eltern dann einen Gutschein ausgestellt bekommen, könne bis zu zwölf Stunden Kita-Aufenthalt täglich abdecken, betonte der Hamburger Sören Arlt. Der geringe Beitrag, den die Eltern dafür zusätzlich zahlen müssten, richte sich nach dem Einkommen. Dabei bleibe es den Eltern selbst überlassen, in welchem Kindergarten sie den Gutschein einlösen – und wie viele Stunden sie zusätzlich zu ihrem bewilligten Kontingent noch aus der eigenen Tasche dazu „kaufen“ wollen.
Obwohl es sich bei dem Hamburger Modell um ein Projekt noch aus rot-grünen Regierungszeiten handelt, sind in Bremen sowohl SPD als auch Grüne skeptisch. „Eine zentrale Vergabestelle ist blöd“, sagt etwa Anja Stahmann, jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Sie befürchtet zudem, dass sozialpolitische Kriterien, wie etwa die familiäre Situation, nicht ausreichend beachtet würden. „Die Probleme landen dann in der Grundschule.“ Auch ihr Kollege Frank Pietrzok von der SPD sieht die Gefahr, dass lediglich die Berufstätigkeit der Eltern berücksichtigt werde: „Das schließt sozial Benachteiligte aus.“
Projektleiter Arlt weist diese Bedenken zurück. Zwar müsse der Hamburger Senat noch entscheiden, welche Kriterien bei der Ermittlung des Betreuungsbedarfs wie stark gewichtet werden. Doch würden neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dabei „auf jeden Fall auch sozialpädagogische Fragen“ eine große Rolle spielen.
Arlt ist sich bewusst, dass auch mit dem „Kita-Gutschein“ nicht alle Bedürfnisse von Eltern und Kindern befriedigt werden. „Dafür fehlt auch in Hamburg das Geld.“ Er hält das Hamburger Modell jedoch für die gerechteste Methode, die begrenzte Zahl an zusätzlichen Betreuungsangeboten zu verteilen. Bisher habe allein die Warteliste darüber entschieden, wann etwa ein Kind berufstätiger Eltern einen Ganztagesplatz erhalten habe. „In Zukunft haben wir eindeutige Kriterien, wer zuerst berücksichtigt wird.“ hoi
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen