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zwischen den rillenDie Sofa Surfers schmieden globale Dub-Allianzen

Anschlag auf die Kuschelecke

„Cannibal Corpse“ ist ein ausgesucht geschmackloser, mithin ein ausgesprochen guter Name für eine Deathmetalband. Und wer sich „The West Coast Pop Art Experimental“ nennt, macht auch kein Geheimnis um die eigene musikalische Ausrichtung.

Die Sofa Surfers scheinen von einer derartigen Dienstleistung am Hörer nichts zu halten. Kommt die Band doch aus Wien, und wer nun bei Sofasurfern nicht sofort an Kaffeehaus-bewohnende Vollzeitkiffer mit klar geregeltem Nichtstun-Tagespensum denkt, hat wohl noch nie etwas von Kruder & Dorfmeister gehört. Seit diesen steckt das Wien-Klischee mit dem entspannten Alltag zu entsprechender Musik in den Köpfen fest. Allerdings gab es auch mal eine Zeit, ihre ersten beiden Platten geben Zeugnis davon, da entsprachen die Sofa Surfers bereitwillig dem gemütlichen Wien und produzierten tatsächlich den Soundtrack für die Sofaecke, auf die sie nun mit „Encounters“ förmlich einen Terroranschlag verüben.

Es liegt sicherlich auch an der politischen Lage in Österreich, die die Sofa Surfers dazu bewogen hat, derart radikal ihre selbst bezogene Kuschelseligkeit zu hinterfragen und zu einer Solidarisierungskampagne gegen sich selbst auszurufen. Das Konzept von „Encounters“ deutet auf die Verarbeitung der realpolitischen Gegebenheiten in Österreich hin. Kurz nachdem die FPÖ in Österreich mit an den Regierungstisch geholt wurde, sahen sich viele, die nicht mit der neuen Situation im eigenen Land zufrieden sein wollten, bereits in der paradoxen Lage, zum Boykott und zum Widerstand von außen aufrufen zu müssen. Die Phalanx von Gästen, die die Sofa Surfers für ihre Platte rekrutieren konnte, ähnelt diesem Aufruf zum Kampf, zu dem man sich selbst alleine nicht in der Lage sieht.

Eine derartig eindrucksvolle Gästeliste, wie sie „Encounters“ aufweisen kann, muss man erst mal zusammenbekommen: Beinahe jeder Track wurde von einer internationalen Größe verfeinert und globale Kommunikation gegen ein Schmoren im eigenen Saft der Möglichkeiten ausgespielt.

Durch die Wahl der Gäste wird das musikalische Spektrum schier grenzenlos, ohne beliebig zu wirken. Der Clash zwischen Dub, Roots-Reggae, HipHop und Postpunk erzeugt gewaltige Reibungsenergien, als Gesamtes wirkt die Platte dennoch homogen. Wahrscheinlich, weil der Raum nicht nur territorial entgrenzt, sondern auch ein zeitliches, ein musikhistorisches Kontinuum hergestellt wurde.

Junior Delgado, eine Rootsreggae- und Dub-Legende aus den späten Siebzigern, eröffnet sozusagen den geschichtlichen Exkurs. Im Kontext von „Encounters“ steht dieser aber nur am Anfang weiterer musikalischer Mutationen, die an anderen Stellen verfolgt werden. So wird durch die Wahl von Mark Stewart für einen Bulldozer vom Stück mit dem Titel „Home Truths“ als Subtext darauf verwiesen, dass dieser bereits Anfang der Achtziger mit seiner Band „The Popgroup“ Postpunk mit Dub kreuzte und dabei immer großen Wert auf linksradikale Botschaften legte. Über Umwege entwickelte sich aus dem so genannten Funkpunk ein Schmelztiegelsound in New York, auf den wiederum die mysteriöse Brooklyner Plattenfirma Word Sound verweist, die sich dem Erforschen musikalischer Hybridformen aller Art verschrieben hat und ihren als irre verschrieenen Rapper Sensational den Wiener Produzenten überließ.

Eins passt hier ins andere, ohne dass verschwiegen wird, dass bei all den Kreuzungsversuchen in der Popmusik immer mal wieder etwas erst passend gemacht werden musste. Wenn an einer Stelle in „Encounters“ gar die Stimme von Jeb Loy Nichols auftaucht, wird man nochmals daran erinnert, wie ungewöhnlich das Amalgieren von Dub und Americana bei seiner damaligen Band The Fellow Travellers wirkte. Nun eben diesen Jeb Loy Nichols auf „River Blues“ mit gescratchten HipHop-Samples zu kontrastieren, wirkt wiederum schwer verdaulich, aber auch nur folgerichtig.

Was den Sofa Surfers gelingt, die mit ihren Gästen durch das Hin- und Hersenden bespielter DATs kommuniziert haben, ist eine Art Weltmusik, die nach nichts Reinem oder Authentischem mehr sucht, sondern bereits stattgefundene Bastardisierungen immer schon voraussetzt. So feiern alle gemeinsam das Unreine, auch indem die Sofa Surfers nichts mehr glatt gebügelt haben, sondern einen Rohzustand der einzelnen Tracks bevorzugen. Und dieses Unreine lässt sich bestens gegen einen Diskurs der reinen Rasse wenden, wie er nicht nur in Kärntner Landgasthof-Hinterzimmern gepflegt wird.

ANDREAS HARTMANN

Sofa Surfers: „Encounters“ (Virgin)

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