Die Bombe macht Bumm!

■ Wie man mit wenig Mitteln noch weniger erreichen kann – das Hamburger „Studio Braun“ beglückte sein Publikum im Bremer Schlachthof

„Ich hab immer gegeben – jetzt will ich auch mal nehmen“, kommuniziert Hans „Hänschen“ Fuchs mit seiner ungemein kindlich sich gebärdenden Transzendental-Einheit „Meta-Hans“. Wie ein Damokles-Schwert schwebt sein Begehr über dem Dampfer der guten Laune, der 2002 eben dort ablegte, wo er vor Jahresfrist in den Hafen der Ideen und Schaumkronen einfuhr.

Fuchs heißt in einer anderen Wirklichkeit auch Jacques Palminger. Genauso wie Bims Brohm andernorts Rocko Schamoni geheißen wird und Jürgen Dose schlicht „Der Chef“. Alias allerorten – ihre bürgerlichen Namen scheinen die drei von „Studio Braun“ vergessen zu haben, oder sie hängen verstaubt in einem Hinterzimmer des Golden Pudel Club auf St. Pauli. Wer weiß das schon. Bürgerlich präsentierten sie am Donnerstag ihr Werk im Schlachthof: Eine Art Substrat der Avantgarden des vergangenen Jahrhunderts: situationistisches Museal, etwas Fluxus hier, ein wenig Dada dort – und über jeglichen Ideologieverdacht erhaben. Der Pudelclub, jene ausufernde Szenerie mit Kiezanbindung, erfüllt für „Studio Braun“ eine ähnliche Funktion wie die RTL 2-Studios weiland für die „No Angels“. Nur dass diese drei Herren großartigen Humor an den Tag legen, während jene Damen ... aber das ist ein anderes Thema.

Nach einem pompösen Intro, das die drei als das Böse from Outer Space entlarven soll – „Woran soll ich sie erkennen, Mama?“ „Sie tragen eine Kinderbadewanne auf ihren Köpfen!“ „Warum, Mama?“ „Weil sie abgrundtief böse sind!“ – stolzieren sie mit dieser Waschgelegenheit auf dem Haupte über die Bühne. Dort stehen braune Kunstledersofas, Bierflaschen, eine Dia-Leinwand und so weiter. „Studio Braun“ haben eigentlich nichts zu sagen. Das aber machen sie herzzerreißend gut. Brohm erzählt, wie er den Schmerz (er)fand, indem er sich einen fünf Pfund schweren Hammer mehrfach auf den Fuß fallen ließ, daraufhin seine gesamte Familie – bis ganz viel „Aua!“ ertönte – mit Geschirr bewarf und schließlich in sein Arbeitszimmer ging, den Beobachtungsvorgang zu protokollieren. Das klingt nach Trash, ist es aber nicht wirklich. Wie vieles sonst , haben sich „Studio Braun“ die Trash-Ästhetik anverwandelt. Wenn es nicht vor allem brüllekomisch wär, könnte man meinen, das Spiel mit Inszenierung und Simulation sei durchaus ernst gemeint. Vielleicht ist es das sogar. Hier kommt die Leinwand ins Spiel. Waren drauf beim letzten Durchgang noch halbgar verfremdete Plattencover zu sehen, treten die drei nun in Interaktion mit ihren platten Alter Egos. Man streitet sich über Vor- und Nachteile der Zwei- beziehungsweise Dreidimensionalität. Fuchs kanzelt eine Horde Kinder ab, die partout den Groove für seinen Song nicht finden wollen: „Stooop!! Wir machen hier Reggae, Mensch!“ Selbstredend gibt es auch Live-Telefonstreiche – denn dafür werden „Studio Braun“ so geliebt. Die misslingen meist. Etwa weil einer, der in Barsinghausen „historisch saubere“ Granitplatten vertickt, sich nicht auf eine gemeinsame Demo einlassen will. Zum Beispiel, weil ein hiesiger Taxifahrer, nachdem er, geistig nicht faul, mit „... ich wär heut auch gern im Schlachthof“ konterte – und damitden lautesten Szenenapplaus des Abends erntet.

Doch das macht nichts. Souverän lächeln die drei Sympathen jeglichen Zweifel hinfort. „Technische Pannen erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Geilheit der Show“, sagt Brohm. Fuchs schließt mit der deutschen Version der 80er-Schnulze „I like Chopin“. Die Diskokugel glitzert. Ja, Hänschen, wir mögen dich auch. Einfach so.

Tim Schomacker