: Haste keinen, wähl dir einen
Die CDU muss nach Diepgens Rücktritt schneller als geplant einen neuen Boss suchen. Heute setzt der Landesvorstand einen Übergangschef ein. Als Dauerlösung ist auch der Ostler Nooke im Gespräch
von STEFAN ALBERTI
Die Berliner CDU wird nach dem Rücktritt von Eberhard Diepgen ihren für Mai geplanten Parteitag voraussichtlich vorziehen. Die Vizelandeschefin der Union, Marlies Wanjura, sprach sich gegenüber der taz dafür aus, dass die Partei umgehend einen Nachfolger als Landesparteichef wählt. Einen früheren Termin forderte auch Fraktionschef Frank Steffel.
Wer die Landes-CDU bis zum Parteitag führt, will der Vorstand heute Abend bei einer Sondersitzung entscheiden. Übergangschef wird nach Einschätzung von Steffel einer der Parteivizes. Dazu gehören neben der Reinickendorfer Bezirksbürgermeisterin Wanjura ihr Amtskollege aus Mitte, Joachim Zeller, der Exabgeordnete Stefan Schlede sowie die Fraktionsvizes Monika Grütters und Kai Wegner.
Diepgen hatte bereits im Dezember angekündigt, sein Amt niederzulegen. Das sollte bei einem Parteitag Ende Mai geschehen. Nachdem die Union ihn aber am Samstag als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl durchfallen ließ, trat Diepgen mit sofortiger Wirkung zurück.
Als Nachfolger wurden bislang vor allem Steffel und Exsenator Volker Hassemer gehandelt. Im Gespräch ist nach seinem Erfolg vom Samstag auch Günter Nooke, der die Berliner CDU anstelle von Diepgen in die Bundestagswahl führt. Nooke verwies zwar auf seine bundespolitischen Aktivitäten als Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mochte eine Kandidatur aber nicht ausschließen.
Auf der CDU-Landesliste konnte sich hinter Nooke die frühere Landesparlamentarierin Verena Butalikakis, die als Diepgen-Vertraute gilt, nur knapp behaupten. Obwohl sie ohne Gegenkandidaten antrat, reichte es für sie nur zu einer Mehrheit von 54 Prozent. Zu Diepgens Beharren auf Listenplatz eins sagte sie der taz: „Er wollte es noch mal wissen.“ Ihrer Einschätzung nach hätte es sich nicht mit Diepgens Selbstverständnis als Noch-Landeschef vertragen, auf Platz zwei der Landesliste zu stehen.
Kritik an Diepgens Bundestagsambitionen hatte es seit Monaten gegeben. „Ein geschasster Vorstandschef geht auch nicht in den Aufsichtsrat“, äußerte sich bereits vor zwei Wochen in der taz der frühere Bundesparlamentarier Jochen Feilcke. Er lastet es den Strippenziehern um Diepgen an, dass er 1998 aus dem Bundestag musste. Feilcke platzierte pünktlich zur Delegiertenkonferenz am Samstag ein Interview in der CDU-nahen Welt. Diepgens Verdienste lägen eindeutig in der Vergangenheit, äußert sich Feilcke darin, im Bundestag frage niemand nach ihm.
Ein Verein namens „Berlin braucht Bürger“ hatte am Freitag und Samstag nach eigenen Angaben 25.000 Euro in Zeitungsanzeigen gesteckt, die Diepgen hart kritisierten und ihn zum Rückzug aufforderten. Diepgen sah darin „Klugscheißerei“. Spitzenkandidat Nooke verurteilte zwar gegenüber der taz die Anzeigen als „unfair und in der Sache falsch“. Gänzlich als Randerscheinung mochte er sie aber nicht abtun: „Es zeigt ein Stück weit, was die Basis denkt.“
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