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Wo Wein und Honig fließen

Teil 4 der Serie über die unterschiedliche Wahrnehmung von Islam und Kunst. Für Muhammad Herzog ist das Almosengeben Bedingung, um eines Tages Zugang zum Paradiesgarten zu erhalten

von SUSAN KAMEL

Der blühende Garten setzt sich aus zwölf Beeten und fünf Inseln zusammen, die durch fischreiche Wasserläufe voneinander abgetrennt sind. Von drei der fünf Inseln im Innern wachsen Bäume, deren Äste über die umrandeten Beete ragen. Gartendarstellungen wie diese auf dem persischen Gartenteppich aus dem Museum für Islamische Kunst waren zu allen Zeiten im Islam populär, weil im Koran, wie in christlicher und jüdischer Tradition auch, das Paradies als Garten beschrieben wird. Gartenteppiche bilden die Kunst der Gartenanlagen ab, die besonders in Persien und Indien im 15. und 16. Jahrhundert eine große Rolle spielte.

Um den „Garten der Wonne“ betreten zu dürfen, muss man im irdischen Leben ein guter Muslim gewesen sein, sprich sich an den fünf Säulen orientiert haben. Dazu gehört, neben dem bereits bekannten Glaubensbekenntnis, dem Ritualgebet und dem Fasten, auch das Almosengeben.

Über die religiöse Pflicht des Almosengebens habe ich mich mit Muhammad Herzog, einem 58-jährigen Deutschen, der zum Islam konvertiert ist, unterhalten. Das Prinzip des Almosengebens könnte man als das islamische Sozialversicherungssystem bezeichnen, das die Umma, die Gemeinschaft der Gläubigen, auch als Solidargemeinschaft bestätigt. Die Abgabe sei für die, die nicht genug haben, bestimmt, so Muhammad. Eigentlich soll man 2,5 Prozent des Einkommens abgeben. Für in Europa lebende Muslime regelte eine Fatwa, ein religiöser Rechtsspruch, die Höhe der Summe. Demnach müssen die Muslime in Deutschland erst dann Almosen geben, wenn sie mehr als achthundert Euro verdienen.

Die Praxis der Erhebung jedoch ist von Land zu Land unterschiedlich. Heutzutage wird die Steuer in Pakistan und Saudi-Arabien staatlich abgeführt. In anderen Ländern, wie etwa der Türkei, besteht solch eine Regelung nicht. Hier erfolgt die Abgabe auf freiwilliger Grundlage.

„In erster Linie ist das Almosengeben ein religiöses Verdienst“, erklärt mir Muhammad mit Blick auf den Gartenteppich. Der Mensch müsse sich beim Jüngsten Gericht für seine Taten verantworten. Vielleicht komme er dann auch für einige Tage in die Hölle. Die Hölle sei nämlich nur für diejenigen Endstation, die neben dem einen Gott noch andere Götter anbeten. Das Paradies, das nicht nur in der islamischen Tradition als ein blühender Garten vorgestellt wird, ist die Belohnung für das Erfüllen der religiösen Pflichten. Aber, so ist Herzog überzeugt: „Wir werden uns noch wundern, wer da alles sein wird.“ Denn die Höllenstrafen seien ja nur vorübergehende Strafen, nach Absitzen der Strafe kämen alle, die an Gott glauben, in den Himmel.

Muhammad Herzog, ehemals Hartmut Herzog, ist in Berlin geboren und konvertierte vor 22 Jahren zum Islam. Der Sohn protestantischer Eltern entschied sich mit Anfang zwanzig, für die christliche Missionsgemeinschaft „Operation Mobilisation“ tätig zu werden. Bei dem Versuch, muslimische Türken zum Christentum zu bekehren, fing er an, sich für den Koran zu begeistern. Muhammad gründete die Islamische Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime Berlin e. V. mit und organisiert heute zahlreiche Begegnungen zwischen Christen, Muslimen und Juden.

Den persischen Gartenteppich aus dem Bestand des Museums für Islamische Kunst kennt er aus der Ausstellung „Gärten des Islam“, die 1994 vom Haus der Kulturen der Welt veranstaltet wurde. Der Teppich stammt wahrscheinlich – die Art seiner geometrischen Zeichnung legt das nahe – vom Ende des 18. Jahrhunderts und ist zurzeit leider nicht zu besichtigen. Knapp 27 Quadratmeter groß ist dort eine persische Gartenanlage aus der Vogelperspektive abgebildet. Ein eindruckvolles Beispiel für eine solche Anlage ist der Garten des Tschahar Bagh vor dem Mausoleum des Mogulkaisers Dschahangir im heutigen Pakistan; dieser Park könnte als Vorlage für den beschriebenen Teppich gedient haben.

„Im Paradies werden Dinge sein, die hier verboten sind“, beschreibt Herzog die Faszination des Paradiesgartens. Wein und Honig werden fließen. Ob Huris, Jungfrauen oder, wie Herzog – mir zuliebe – einräumt, Jungmänner dort für ein angenehmes Leben sorgen, darüber möchte er nicht spekulieren: „Ich sag immer, man soll gar nicht darüber diskutieren, wir werden es sehen.“

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