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Mit Fälschungen zum Wahlsieg

Die in Australiens Wahlkampf verbreitete Mär von ins Meer geworfenen Flüchtlingskindern ist Schwindel

CANBERRA taz/afp/ap ■ Australiens Ministerpräsident John Howard hat gestern eine Untersuchung offensichtlich gefälschter Flüchtlingsfotos angekündigt. Während des Wahlkampfes im vergangenen Herbst untermauerte der konservative Howard seine repressive Flüchtlingspolitik mit Aufnahmen von Bootsflüchtlingen, die ihre Kinder ins Meer warfen, „um die Regierung zu nötigen, sie doch in Australien aufzunehmen“. Dies hat sich als unwahr herausgestellt.

Mehrere Zeitungen veröffentlichten gestern die manipulierten Fotos und deren Originale. Die gefälschten Exponate zeigten lediglich im Wasser treibende Kinder. Bei den Originalen ist zudem das sinkende Flüchtlingsschiff zu sehen sowie Menschen, die von dem untergehenden Boot ins Wasser springen. Das Schiff sowie alle anderen Hinweise auf die Notlage der Flüchtlinge ist bei den Fälschungen wegretuschiert.

Ausgelöst wurde die Affäre durch zwei dem Parlament vorgelegte Regierungsberichte, in denen die Fälschungen aufgedeckt wurden. Jetzt wirft die Opposition – Labour, Grüne und Demokraten – der Regierung einen „kolossalen Betrug“ vor und stellt ihre Legitimität in Frage. Der Senat, das australische Oberhaus, hat bereits eine Untersuchung der Affäre eingeleitet.

Dass die Verteufelungstaktik gegen die Bootsflüchtlinge auf einer Unwahrheit beruhte, war in den zuständigen Ministerien schon vor den Wahlen bekannt. Beispielsweise durch eine öffentliche Erklärung des Vizeadmirals David Shackleton Anfang November 2001. Der Videofilm, den die Regierung als Hauptbeweis ihrer Behauptung benutzte, war von der Marine in Wirklichkeit erst später aufgenommen worden, als das Flüchtlingsboot sank und Flüchtlinge und Besatzung im Wasser auf die Rettung warteten.

Hatten sowohl Howard als auch Einwanderungsminister Philip Ruddock es noch am Freitag abgelehnt, sich zu entschuldigen, lenkten sie gestern ein. Es tue ihm leid, wenn die Öffentlichkeit mit den Bildern in die Irre geführt wurde, so Ruddock. Auch Howard bedauerte die Fälschungen, beharrte aber darauf, sich in gutem Glauben auf Informationen aus dem Verteidigungs- und Einwanderungsministerium gestützt zu habe. Er machte Beamten aus den beiden Ministerien für das Debakel verantwortlich.

Die Verteufelungstaktik sicherte den Konservativen den Wahlsieg. Es ist bezeichnend für die Popularität von Howard, dass in einer Meinungsumfrage 51 Prozent der Befragten glauben, der Premierminister habe gewusst, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprachen, dass aber nur 25 Prozent meinen, Howard sollte zurücktreten.

Die Kontroverse erhält noch mehr Brisanz durch die Aufdeckung, dass die Regierung fälschlich behauptete, Flüchtlinge im Internierungslager Woomera hätten während ihres Hungerstreiks die Lippen ihrer Kinder zugenäht, um sie am Essen zu hindern. Auch dafür gibt es, wie die Berichte jetzt zeigen, keine Beweise. BBB

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