utah und andere
: Das Problem mit S & E

Losloipeln

Der Kameramann filmt einen Kameramann beim Filmen des Skierwachsens. Ben Wett reportiert gewohnt kaugummideutsch über die wachsamen US-Militärs in ihren schneidigen Jets. Gerd Delling, der putzige Nennneffe von Günter Netzer, verwechselt Moderieren wieder mal mit Kalauer-Stakkati. Längliche Vorberichte bereiten Trailer vor, die der Anmoderation für Interviews dienen, welche hinführen sollen zu Porträtfilmchen, die Appetizer sind für Nachtübertragungen, die stundenlang Millimeterentscheidungen gebären. Winterolympia ist eine zähe Sache: Viel Sendezeit gibt es zu verfüllen für nur gelegentlich sportiven Prickel.

„Der Schnee ist die Schattenseite des Winters“, hat Waldemar Hartmann dankenswerterweise gesagt. Auch wenn der Waldimann die Wettervorhersage meinte, macht seine Definition für die gesamten Spiele Sinn. Sport auf Schnee und Eis ist oft nah am Unsinn. Viel zu glatt, viel zu abwechslungsarm und den meisten Menschen aus eigenem Erleben wesensfremd. Es sei denn, man kommt aus Bergregionen wie die meisten Sportler. Deren Interviews allerdings bleiben schwer verständlich. Sport auf S & E heißt: Nur wenige Sportarten sind möglich. Die aber kriegen immer mehr Disziplinen. Erst loipeln Langloipler im Kreis, dann tun es welche, die vorher schon schanzengesprungen sind. Andere schießen zwischendurch. Kurze Strecke, mittlere, länglich-mittlere und lange. Einzel- und Mannschaftswertung, kleine Schanze, große Schanze. Der Hundertstelsekundenmarathon bei Bob (wusch…), Schlitten (wusch…) und Skeleton (wusch…).

Dann bitte gleich konsequent den modernen Winterfünfkampf: Schießen von der großen Schanze, Mannschaftsschussabfahrt auf Langlaufbretteln, Kurvencurling in der Bobbahn, Rhythmische Sportgymnastik mit Puck am Bande in der Halfpipe und endlich Winterpolo: Eishockey hoch zu Ross. Bis dahin bleibt uns die Freude über jedes verpasste Ami-Gold und Hoffnung auf Eishockey-Niederlagen der US-Boys. Gedämpfte Raserei hilft dem Weltfrieden. Ein Freund sagt: „Wenn die Amis Eishockeygold holen, marschieren die im Irak ein.“ Wahrscheinlich hängt diese Art sportpolitischer Biathlon bei der schlichten US-Psyche wirklich eng zusammen.

BERND MÜLLENDER