FÜR ATTAC KOMMT DIE ZEIT, SICH GEGEN VEREINNAHMUNG ZU SCHÜTZEN
: Wer berühmt ist, wird begehrt

Die Globalisierungskritiker sind eine erfolgreiche Bewegung. Seit den Demonstrationen von Seattle 1999 gegen die Welthandelsorganisation WTO ist die Kritik an der neoliberalen Globalisierung in aller Munde. So hat es ein buntes Netzwerk von Bewegungen in wenigen Jahren geschafft, die Eliten auf der ganzen Welt herauszufordern und ihren Diskurs herumzudrehen. Jetzt müssen die Mächtigen sich rechtfertigen.

Zum ersten Mal haben die weltweit agierenden Konzerne und ihre politische Vorhut – Internationaler Währungsfonds, Weltbank und WTO – einen politisch ernst zu nehmenden Gegner. Zum ersten Mal überhaupt gibt es ein globales gesellschaftliches Subjekt, das umfassende Veränderungen von unten durchsetzen kann. Die Parolen von unten werden oben registriert. So sieht das neueste Gutachten der Europäischen Union in der von Attac propagierten Tobin-Steuer eine Möglichkeit, internationale Finanzkrisen einzudämmen.

Die Globalisierungskritiker haben eine Menge erreicht – theoretisch. Praktische Veränderungen konnten sie noch nicht durchsetzen. Ihnen ergeht es wie jeder kritischen Bewegung: Die Eliten nehmen die neuen Argumente auf, versuchen aber, es bei Kosmetik zu belassen. Und wer Erfolg hat, wird angegriffen. Gerade wegen ihrer offenen Struktur lassen sich Netzwerke wie Attac leicht kapern. Ihr Einfluss macht sie zum lohnenden Ziel politischer Instrumentalisierung. Die neue Kampagne von Attac zur Gesundheitspolitik klingt doch sehr nach der Diktion der alten Gewerkschaft ÖTV. Kein Wunder: Auf jeden Gesundheitsexperten von Attac kommen zehn der Gewerkschaft Ver.di, in der die ÖTV aufgegangen ist. Und Ver.di, Mitglied im Netzwerk Attac, schickt sich an, die neuen Strukturen für ihre Zwecke zu nutzen. Dabei sollte Attac vorsichtig sein: Trotz aller berechtigten Kritik am freien Markt ist nicht jede Privatisierung oder Schließung eines Krankenhauses schlecht. Was den Interessen der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten dient, kann den Anliegen einer Kommune oder einer Gesellschaft zuwiderlaufen. Denn die Verschwendung öffentlicher Gelder in einem uneffektiven Gesundheitssystem hat noch niemanden gesund gemacht.

Tatsächlich ist es einfacher, seine Gegner anzugreifen als seine Freunde. Aber niemand wird es Attac ernsthaft verübeln, wenn in diesem Netzwerk nicht nur über die Chancen, sondern auch über die Grenzen von Interessenpolitik gestritten wird. Das ist keine Selbstzerfleischung, sondern erhöht die Glaubwürdigkeit aller Beteiligten.

HANNES KOCH